Jena, den 30. September 1800
Das Wetter fährt fort von der Art zu seyn, daß es Sie wohl nicht reizen kann. In diesen Tagen habe ich den Eingang zu unserer Preisertheilung geschrieben und den Schluß dazu schematisirt; ich muß nun abwarten wie er zu Ihrer und Meyers Arbeit paßt.
Wenn ich Mittwoch Abends Meyers letzte Hälfte und Ihr Ganzes erhalten könnte, so wär’ ich freilich sehr gefördert: denn ich wünschte nicht eher wegzugehen, bis alles ein Ganzes ist. In Weimar gelingt mir so etwas nicht, ich weiß es schon, denn ich brauche fast mehr Sammlung zum Rhetorischen als Poetischen. Es fiel mir ein daß ich noch einen Aufsatz von Humboldt über den Trimeter habe. Leider habe ich ihn, als er abgeschrieben war, nicht corrigirt; es kommen daher einige mir wenigstens unheilbare Schreibfehler darin vor. Auch liegt ein Theil seines Agamemnons bei; beides wird einigermaßen Ihren Wünschen entgegenkommen.
Wenn ich übrigens mit Niethammer und Friedrich Schlegel transscendentalen Idealism, mit Rittern höhere Physik spreche, so können Sie denken, daß die Poesie sich beinahe verdrängt sieht; doch läßt sich hoffen daß sie wieder zurückkehren werde.
Übrigens mag ich nun nach Hause gehen wenn ich will, so habe ich meine vier Wochen nützlich zugebracht und finde mich von allen Seiten gefördert. Manches habe ich nun zu verarbeiten, und wenn ich diesen Winter noch einen Monat hier zubringen kann, so wird es in mehr als Einem Sinne gut stehen.
Leben Sie recht wohl, gedenken mein und seyn Sie auf Ihre Wiese fleißig.
G.
Ich lege noch vorjährige Bemerkungen über den Macbeth bei, die ich zum Theil noch erst werde commentiren müssen. Heben sie solche bei sich auf oder geben sie Beckern.
Eben wollte ich meine Depesche schließen, als zu meiner größten Freude Ihr Aufsatz anlagt. Ich habe ihn geschwind gelesen und finde ihn so schön, gut und zweckmäßig, als Sie es selbst nicht wissen. Es fiel mir dabei ein, daß jede Partei in Venedig zwei Advocaten von verschiedenem Charakter beim Plaidiren der Prozesse aufstellt, einen der den Vortrag macht und einen andern der concludirt.
Aus unserm Dreiklang soll dießmal etwas recht Artiges entstehen. Meine Peroration, die Sie mir zum Theil weggenommen haben, will ich nun zu der Einleitung schlagen, und was mir ja noch übrig bliebe zu der Preisaufgabe auf’s folgende Jahr, wo sich auch noch mancherlei sagen läßt. Doch das wird sich alles erst finden, wenn ich Meyers Recension habe, auf die ich morgen hoffe. Die Einheit in der Verschiedenheit der drei Töne wird sich recht gut ausnehmen. Ich danke Ihnen tausendmal für guten Beistand. Ich wollte auch die Motive classificiren, ich fürchtete aber, schon bei Durchsicht meines Schema’s, daß ich in’s Trockne fallen könnte. Bei Ihnen ist nun alles im Fluß.
Leben Sie recht wohl, und schenken Sie doch auch der flüchtigen Skizze einen Blick, die ich Meyern über die verschiedene Lage der Kunst in Deutschland zuschickte.
G.
[Bemerkungen zu Macbeth
- Versuch die Stimmen der Hexen unkenntlicher zu machen.
- Ihre symmetrische Stellung zu nuancieren.
- Ihnen einige Bewegung zu geben.
- Wo es nötig, längere Kleider, um den Kothurn zu bedecken.
- Donalbains Schwert muß neuer aussehen.
- Rosse und der König müssen andere Abgänge arrangiren.
- Macbeth und Banquo, wenn sie mit den Hexen sprechen, treten mehr gegen das Proszenium. Die Hexen treten näher zusammen.
- Lady Macbeth spricht nicht rückwärts im ersten Monolog.
- Fleance muß einen andern Leuchter haben.
- Gebt mir mein Schwert. Zweifel über diese Stelle des Banquo.
- Nicht so starr.
- Eine tiefere Glocke ist anzuschaffen.
- Macbeth sollte als König prächtiger erscheinen.
- Die Tafel sollte nicht so modern besetzt sein.
- Der Mittelaufsatz müßte verguldet sein um gegen das Gespenst besser abzustechen.
- Die Lichter sind gerad zu stecken und müssen stärkere Lichter genommen werden.
- Banquos Gesicht ist blässer zu machen.
- Es ist für Stühle zu sorgen, die nicht fallen.
- Ein großer Helm ist zu machen.
- Die Kinder müssen wieder heraus aus dem Kessel, sie sind zu maskidren und auffallender zu decoriren.
NB. Die Schatten langsamer und die Gestalten im Charakter mehr abgeändert.
- Nach der Hexenszene sollte etwas Musik sein, ehe Malcolm und Macduff eintreten.
- Fragen, ob man nicht einen Monolog von Malcolm sollte vorausgehen lassen, in welchem er die Sorge von Verräterei ausdruckt. Ich weiß nicht, woran es lag, aber der Effekt dieser Szene ging mir ganz verloren.
- Macduffs Gebärden, da er den Tod der Seinigen erfährt.
- Eylenstein als Arzt muß nicht so gebückt sitzen und nicht so sehr in sich reden.
- Arrangement und Wandeln in dieser Szene.
- Mannigfaltigere Motive des Gefechts.
- Stärkere Klingen für die Hauptfechtenden.
- Sollte man nicht die Rolle des jungen Seiwards einer andern Person zu geben suchen? Demoiselle Caspers wird an dieser Stelle auch noch für Donalbain gehalten.]*
H 772/773 | S 773 | B 775
* Nicht bei H, zitiert nach S
Weimar, den 29. September 1800
Hier erhalten Sie den Brief. Ich wünschte sehr, daß Ihnen dadurch etwas an eigener Arbeit erspart seyn möchte, aber ich hoffe es kaum; ich war hier nicht auf meinem Felde, und worauf es hier eigentlich ankommt, die Proprietät der Sache ist von mir nicht zu erwarten. Einige Gedanken auszusprechen, den Leser zu unterhalten, den Künstler ein wenig anzuregen und mitunter confus zu machen, das hab’ ich versprochen und so ohngefähr auch geleistet. Der Aufsatz wird aber beinahe anderthalb Bogen geben; wenn er Ihnen zu groß, so nehmen Sie einige Details weg und schalten überhaupt damit nach Belieben.
Die Bücher hat mir V. geschickt; an den Hermann werde ich mich sogleich machen, und übrigens in der Sache so lange fortfahren, als sie mir nicht unerträglich wird.
Leben Sie wohl für heute. Ich eile mit dem Paket auf die Post.
Sch.
H 771 | S 772 | B 774
Jena, den 28. September 1800
Ich habe Vulpius geschrieben, daß er Ihnen gleich aus meinen Büchern diejenigen aussucht die Sie uhngefähr zu Ihren Zwecken brauchen können; Sie werden sich aber wenig daran erbauen. Das Stoffartige jeder Sprache so wie die Verstandsformen stehen so weit von der Production ab, daß man gleich, sobald man nur hineinblickt, einen so großen Umweg vor sich sieht, daß man gern zufrieden ist wenn man sich wieder herausfinden kann. In meiner Arbeit gehe ich nur so nach allgemeinen Eindrücken. Es muß jemand wie Humboldt den Weg gemacht haben, um uns etwa zum Gebrauch das Nöthige zu überliefern. Ich wenigstens will warten bis er kommt, und hoffe auch alsdann nur wenig für meinen Zweck.
Das Wetter ist von der Art, daß ich Sie kaum hier zu sehen hoffe, darum ersuche ich Sie auf’s beste mir bald Ihren freundlichen Beitrag zu schicken und auch Freund Meyern zu fernerer Ausarbeitung seines Theils aufzumuntern. Mein Schema habe ich gemacht, aber ich kann es nicht reinigen und completiren, noch weniger ausführen, bis ich sehe was Sie zum voraus weggenommen haben. Möge es nur recht viel seyn.
Meine Colloquia mit Niethammer gehen fort und nehmen eine recht gute Wendung.
Rittern habe ich gestern bei mir gesehen; es ist eine Erscheinung zum Erstaunen, ein wahrer Wissenshimmel auf Erden.
Meine Wünsche wären jetzt sehr eingeschränkt, wenn es von mir abhinge sie zu befriedigen, doch will ich nichts davon sagen und Ihnen ein herzliches Lebewohl wünschen.
G.
H 770 | S 771 | B 773
Weimar, den 26. [27.] September 1800
Ich hatte gehofft, Ihnen meinen versprochenen Brief heute mit der Botenfrau zu schicken, aber ich bin noch nicht ganz damit im Reinen; die letzten Tage waren mir nicht günstig, denn die böse Wetterveränderung regte meine alten Krämpfe wieder auf. Mit der morgenden Post aber sende ich das Manuscript ab, da ich vor der Hand noch nicht rathsam finde selbst hinüber zu kommen.
Ich hoffe daß Sie sich wohl befinden, ob ich gleich heute nichts von Ihnen hörte. Wenn Sie mir den Hermann von den griechischen Sylbenmaßen zu lesen verschaffen könnten, so wäre mir’s sehr lieb; Ihre neuliche Vorlesung hat mich auf die Trimeter sehr aufmerksam gemacht, und ich wünschte in die Sache mehr einzudringen. Auch habe ich große Lust mich in Nebenstunden etwas mit dem Griechischen zu beschäftigen, nur um so weit zu kommen, daß ich in die griechische Metrik eine Einsicht erhalte. Ich hoffe, wenn Humboldt hieher kommt, dadurch eher etwas zu profitiren. Auch wünschte ich zu wissen, welche griechische Grammatik und welches Lexikon das brauchbarste seyn möchte. Friedrich Schlegel wird wohl am besten darüber Auskunft geben können.
Ich wünsche gute Fortschritte in der Tragödie; diese Woche bin ich in meiner Production nicht vorgerückt.
Leben sie recht wohl. Meine Frau grüßt Sie.
Sch.
H 769 | S 770 | B 772
Weimar, den 23. September 1800
Ihre neuliche Vorlesung hat mich mit einem großen und vornehmen Eindruck entlassen; der edle hohe Geist der alten Tragödie weht aus dem Monolog einem entgegen und macht den gehörigen Effect, indem er ruhig mächtig das Tiefste aufregt. Wenn Sie auch sonst nichts Poetisches von Jena zurückbrächten als dieses, und was Sie über den fernern Gang dieser tragischen Partie schon mit sich ausgemacht haben, so wäre Ihr Aufenthalt in Jena belohnt. Gelingt Ihnen diese Synthese des Edeln mit dem Barbarischen, wie ich nicht zweifle, so wird auch der Schlüssel zu dem übrigen Theil des Ganzen gefunden seyn, und es wird Ihnen alsdann nicht schwer seyn, gleichsam analytisch von diesem Punkt aus den Sinn und Geist der übrigen Partien zu bestimmen und zu vertheilen: denn dieser Gipfel, wie Sie ihn selbst nennen, muß von allen Punkten des Ganzen gesehen werden und nach allen hinsehen.
Ich habe mich gestern an die Ausarbeitung meines Briefes gemacht, und wenn ich Freitags, wie ich hoffe, damit fertig werde, so habe ich große Lust, sie selbst nach Jena zu bringen. Von einem einsamen Aufenthalt in meinem Garten, auch wenn das Wetter mich nicht gerade sehr begünstigen sollte, erwarte ich einen guten Einfluß, und im October ist auf einige angenehme Tage gewiß zu rechnen. Die Frau findet sich darein, und es kommt hier alles nur auf die Gewöhnung an. Wir wollen uns übrigens beide in unsern Arbeiten nicht stören, wenn Sie die absolute Einsamkeit lieber haben.
Ich habe Mellish gestern gesprochen, und das lebhafte Interesse, das er jetzt schon an Ihrer Optik nimmt, nach allen Kräften zu unterhalten gesucht. Wenn ich hinüber kommen sollte, so würde ich auf eine Zusammenkunft mit ihm antragen, und Sie bitten, ihm noch einige entscheidende Aufschlüsse und weitere Anweisung zu geben. Er hat einen großen Begriff von der ganzen Sache, und sie scheint ihm so sehr bedeutend, daß eben sein Erstaunen ihm noch einen Zweifel erweckt. Wenn Sie ihn also von der Unhaltbarkeit der Newtonischen Lehre durch den Augenschein überführen, so wird ihm die Sache wichtig genug seyn, um alles daran zu wenden.
Daß Sie die Anzeige der neuen Preisaufgabe schon abgesendet, thut Meyern und mir beinahe leid; denn wir wollten Ihnen wegen der zweiten Aufgabe noch einige Vorstellungen machen. Auch wollte ich Ihnen einen Einfall der mir gekommen ist vortragen – ob man nämlich nicht das Publicum interessiren könnte, 150 oder 200 Loose, eins für einen Ducaten, zu kaufen, und alsdann die zwei oder drei besten Stücke an die Interessenten verloosen. Auf diese Art wäre es möglich für den ersten Preis hundert Ducaten auszusetzen, wobei freilich der Verfasser auf sein Werk Verzicht thun müßte; das Publicum würde für die Unternehmung und dadurch mittelbar für die Propyläen lebhaft interessirt, und kein Künstler könnte von der Concurrenz ausbleiben.
Auch Meyer fand meine Idee prakticabel und vortheilhaft. Ich überlasse sie Ihrem weitern Nachsinnen.
Leben Sie recht wohl.
Sch.
H 768 | S 769 | B 771
Jena, den 23. September 1800
Ihr neulicher Besuch war mir sehr erfreulich; unser Gespräch, so wie Meyers Vorlesung, haben mir Muth gemacht die erste Expedition gleich bei Seite zu schaffen. Briefe, Geld und Anzeige sind abgegangen. An der Beurtheilung wird abgeschrieben und ich sinne nun auf meinen Introitus, welchem Ihre Peroration hoffentlich bald vom Stapel helfen soll.
Meine Helena ist die Zeit auch etwas vorgerückt. Die Hauptmomente des Plans sind in Ordnung, und da ich in der Hauptsache Ihre Beistimmung habe, so kann ich mit desto besserem Muthe an die Ausführung gehen.
Ich mag mich dießmal gern zusammenhalten und nicht in die Ferne blicken; aber das sehe ich schon, daß von diesem Gipfel aus sich erst die rechte Aussicht über das Ganze zeigen wird.
Ich wünsche auch von Ihnen zu hören daß es vorwärts gehe.
Um mir nicht den Fluch der Ehefrauen noch mehr zuzuziehen, als er schon auf mir liegt, will ich Sie nicht zu Ihrer Herreise aufmuntern. Sollte sich freilich das Wetter verändern, so haben sie im Garten auch wenig Freude.
Grüßen Sie Meyern, an den ich heute nicht schreibe.
Die philosophischen Colloquia werden immer interessanter, und ich kann hoffen, wenn ich mir nur Zeit lasse, das Ganze recht gut einzusehen. Wir wollen das Möglichste thun, um mit diesem dritten Wunder in das neue Jahrhundert einzutreten.
Leben Sie recht wohl und gedenken mein.
Jena am 23. September 1800.
G.
H 767 | S 768 | B 770
Weimar, den 17. September 1800
Was die Reise nach Jena betrifft, so bin ich allerdings fest entschlossen, auf den Sonntag mit Meyern hinüber zu kommen; doch darf ich mir nicht erlauben über die Nacht auszubleiben, weil eine Unterbrechung meiner Arbeit von zwei Tagen mich gleich wieder zu sehr zerstreut. Doch hoffe ich nach neun Uhr drüben zu seyn und kann auch bis Abends gegen neun Uhr bleiben. Ihren Pferden will ich die starke Tour nicht zumuthen, an einem Tage hin und her zu gehen.
Mit Vergnügen lese ich, daß Sie unterdessen bei dem Faust geblieben sind und noch ferner dabei bleiben wollen. Endlich muß sich doch etwas davon präcipitiren, da Sie noch mehrere Wochen Ruhe vor sich sehen.
Das Resultat der Gespräche mit Niethammern wünsche ich einmal aus Ihrem Munde zu hören. Ich habe dieser Tage Woltmanns Schrift über die Reformation, die bis an Luthers Tod fortgeführt ist, gelesen, und bin durch jene theologische Revolution an die neueste philosophische erinnert worden. In beiden war etwas sehr bedeutend Reales, dort der Abfall von Kirchensatzungen und die Rückkehr zu den Quellen, Bibel und Vernunft, hier der Abfall vom Dogmatismus und der Empirie. Aber bei beiden Revolutionen sieht man die alte Unart der menschlichen Natur, sich gleich wieder zu setzen, zu befangen und dogmatisch zu werden. Wo das nicht geschieht, da fließt man wieder zu sehr auseinander, nichts bleibt fest stehen, und man endigt, so wie dort, die Welt aufzulösen und sich eine brutale Herrschaft über alles anzumaßen.
Übrigens ist Woltmanns Werk, das weitläuftig werden könnte, um nichts reifer und versprechender als seine vorher gegangenen Staatengeschichten. Es kam darauf an, diesen Stoff, der seiner Natur nach nach einem kleinlichen elenden Detail hinstrebt, und mit unendlich retardirendem Gange sich fortbewegt, in große fruchtbare Massen zu ordnen und mit wenigen Hauptstrichen ihm den Geist abzugewinnen. So aber geht der Historiker eben so umständlich und schwerfällig seinen Gang, wie die Reichsverhandlung, er schenkt uns keinen kleinen Reichstag, kein nutzloses Colloquium, man muß durch alles hindurch. In den Urtheilen herrscht ein jugendliche schwächliche Wohlweisheit, ein gewisser Geist der Kleinigkeit und der Nebensache; in den Darstellungen Gunst und Abgunst. Bei alle dem liest sich das Buch nicht ohne Interesse.
[Cottas Damenkalender rumort hier schon ziemlich, wie ich höre – Sie haben ihn nun auch in Händen und werden, wie ich, diese jämmerliche Damenschriftstellerei und Buchhändler-Armseligkeit unsers Freundes aufs neu bedauert haben. Er rangirt sich hier wirklich neben die ärgsten Lumpen des Buchhandels, und auch die Königin von Preußen mußte an der Spitze stehen, damit er ja in nichts gegen Herrn Wilmans zurückbleibe.
Körner schreibt mir von einigen Tagen, mit großem Verwundern, daß eine Nachricht da sei, die Humboldte geben sich mit Geistersehereien ab. Er hat es von Geßlern gehört. Eine gewisse Neigung hatte Humboldt wirklich nach dieser Seite gehabt und es ist möglich, daß Paris dazu geholfen, sie zu entwickeln. Alexander soll den Geist seiner Mutter nicht loswerden können.]*
Ihren Brief an Humboldt werde ich morgen früh auf die Post geben.
Leben sie recht wohl, und alle gute Geister seien mit Ihnen.
Sch.
H 766 | S 767 | B 769
* Nicht bei H, zitiert nach S
Jena, den 16. September 1800
Der Trost, den Sie mir in Ihrem Briefe geben, daß durch die Verbindung des Reinen und Abenteuerlichen ein nicht ganz verwerfliches poetisches Ungeheuer entstehen könne, hat sich durch die Erfahrung schon an mir bestätigt, indem aus dieser Amalgamation seltsame Erscheinung, an denen ich selbst einiges Gefallen habe, hervortreten; mich verlangt zu erfahren, wie es in vierzehn Tagen aussehen wird. Leider haben diese Erscheinungen eine so große Breite und Tiefe, und sie würden mich eigentlich glücklich machen, wenn ich ein ruhiges halbes Jahr vor mir sehen könnte.
Mit Niethammern gehen die philosophischen Colloquia fort, und ich zweifle nicht daß ich auf diesem Wege zu einer Einsicht in die Philosophie dieser letzten Tage gelangen werde. Da man die Betrachtungen über Natur und Kunst doch einmal nicht los wird, so ist es höchst nöthig sich mit dieser herrschenden und gewaltsamen Vorstellungsart bekannt zu machen.
Nun aber vor allen Dingen eine Anfrage, ob ich hoffen kann Sie auf den Sonntag hier zu sehen. Frau Griesbach hat mich schon auf Sie eingeladen. Ich wünschte gar sehr daß Sie bei dem schönen Wetter, das sich zu bestätigen scheint, den guten Vorsatz ausführten und mit Meyern herüber kämen. Sie könnten meine Kutsche nehmen, wir äßen Mittag bei Griesbach, Sie blieben die Nacht bei mir im Schlosse, und wenn wir unsere Consultationen geendigt hätten, so könnten Sie Montags frühe wieder fortfahren. Ich möchte nicht gern über die Preise öffentlich etwa bekannt machen, bis wir gleich die Aufgabe auf das folgende Jahr mit dazufügen könnten. Überhaupt wäre es nöthig uns auch wegen dem was in den Propyläen gesagt werden soll, nochmals zu besprechen.
Ich habe einen Brief an Humboldt geschrieben, den ich hier beilege. Es ist ein wahres Unglück daß ich seinen letzten Brief wieder verlegt habe, wo er mir nochmals seine Adresse schreibt. Da es aber noch die alte ist, so findet sie sich ja wohl bei Ihnen oder Ihrer Frau Schwägerin. Haben Sie die Güte das Nöthige hinzuzufügen und den Brief auf die Post zu geben.
Der Woltmannische Brief kommt hier zurück. Es muß in Berlin wunderlich aussehen, wenn man auch nur solche Einfälle haben kann. Indessen ist es ja nicht sowohl darum zu thun etwas zu wirken als etwas in Bewegung zu setzen. Ich rede von dem Einfall uns dorthin zu ziehen. Der Ton der Ankündigung ist völlig Fichtisch. Ich fürchte nur die Herren Idealisten und Dynamiker werden ehester Tages als Dogmatiker und Pedanten erscheinen und sich gelegentlich einander in die Haare gerathen. Wenn Sie herüberkommen, sollen Sie allerhand hören und sehen, zu einer Communication in die Ferne habe ich gar keinen Muth.
Leben Sie recht wohl.
G.
H 765 | S 766 | B 768
Weimar, den 13. September 1800
Ich wünsche Ihnen Glück zu dem Schritte, den sie in Ihrem Faust gethan. Lassen Sie sich aber ja nicht durch den Gedanken stören, wenn die schönen Gestalten und Situationen kommen, daß es Schade sey, sie zu verbarbarisiren. Der Fall könnte Ihnen im zweiten Theil des Faust noch öfters vorkommen, und es möchte einmal für allemal gut seyn, Ihr poetisches Gewissen darüber zum Schweigen zu bringen. Das Barbarische der Behandlung, das Ihnen durch den Geist des ganzen aufgelegt wird, kann den höhern Gehalt nicht zerstören und das Schöne nicht aufheben, nur es anders specificiren und für ein anderes Seelenvermögen zubereiten. Eben das Höhere und Vornehmere in den Motiven wird dem Werk einen eigenen Reiz geben, und Helena ist in diesem Stück ein Symbol für alle die Schönen Gestalten, die sich hinein verirren werden. Es ist ein sehr bedeutender Vortheil, von dem Reinen mit Bewußtseyn in’s Unreine zu gehen, anstatt von dem Unreinen einen Aufschwung von dem Unreinen zum Reinen zu suchen wie bei uns übrigen Barbaren der Fall ist. Sie müssen also in Ihrem Faust überall Ihr Faustrecht behaupten.
Wegen der Kritik der ausgestellten Gemälde kann ich Ihnen nichts anders bestimmt zusagen, als den Brief, den ich für mich allein und auf meine Weise darüber aufsetzen will. Ich komme ganz aus meinem Vortheil, wenn ich meine Ideen über diese Werke mit Meyers und Ihren zusammen zu schmelzen suche. Auch ist dasjenige, was ich durch diese Absonderung meiner Ansicht von der Ihrigen erreiche, nicht ohne Nutzen für das Publicum der Propyläen, oder vielmehr für unsre Absicht mit demselben. Übrigens werde ich Meyern bei seinem Aufsatz darüber meinen Rath gern ertheilen.
Mit meiner Arbeit geht es noch sehr langsam, doch geschieht kein Rückschritt. Bei der Armuth an Anschauungen und Erfahrungen nach Außen, die ich habe, kostet es mir jederzeit eine eigene Methode und viel Zeitaufwand den Stoff zu beleben. Dieser Stoff ist keiner von den leichten und liegt mir nicht nahe.
Ich lege Ihnen einige Novitäten aus Berlin bei, die Sie belustigen werden: besonders werden Sie sich der Protection erfreuen, welche Woltmann Ihnen widerfahren läßt.
Leben Sie recht wohl und bleiben auf dem angefangenen Wege.
Sch.
H 764 | S 765 | B 767
Jena, den 12. September 1800
Nach verschiedenen Abenteuern bin ich erst heute früh wieder zu der Jenaischen Ruhe gelangt und habe gleich etwas versucht, aber nichts gethan. Glücklicherweise konnte ich diese acht Tage die Situationen festhalten von denen Sie wissen, und meine Helena ist wirklich aufgetreten. Nun zieht mich aber das Schöne in der Lage meiner Heldin so sehr an, daß es mich betrübt, wenn ich es zunächst in eine Fratze verwandeln soll. Wirklich fühle ich nicht geringe Lust eine ernsthafte Tragödie auf das Angefangene zu gründen; allein ich werde mich hüten die Obliegenheiten zu vermehren, deren kümmerliche Erfüllung ohnehin schon die Freude des Lebens wegzehrt.
Ich wünsche daß Sie in Ihrer Unternehmung weiter gelangt sind. Wäre es möglich daß Sie, collegialiter mit Meyern, etwas für die Anzeige des Ausgestellten thun könnten, so würde es mir eine große Erleichterung seyn. Sagen Sie mir etwas durch den rückkehrenden Boten und leben sie recht wohl.
G.
H 763 | S 764 | B 766
Weimar, 5. September 1800
Der Humboldtische Aufsatz, den ich Ihnen hier zurückschicke, wird recht gut zu brauchen seyn. Der Inhalt muß interessiren, denn er betrifft einen abgeschlossenen menschlichen Zustand, der wie der Berg auf dem er seinen Sitz hat, vereinzelt und inselförmig ist, und mithin auch den Leser aus der Welt heraus und in sich selbst hineinführt. [Die Beschreibung könnte ein wenig lebhafter und unterhaltender sein, doch ist sie nicht trocken, und zuweilen läßt sich vielleicht mit einem Worte oder einem Strich nachhelfen]*. Es wäre zu wünschen, daß unmittelbar neben diesem Gemälde ein entgegengesetztes von dem bewegtesten Weltleben hätte angebracht werden können, so würden beide eine doppelte Wirkung thun.
Ich hoffe Sie haben sich in Ihrer Einsamkeit nun bald wieder gefunden und erwarte in Ihrem morgenden Brief schon zu lesen daß etwas producirt worden ist. Auch ich habe nun förmlich beim Anfang angefangen und hoffe noch einen Abschnitt zu erreichen, ehe ich nach Jena hinüber komme. Auf der Gemäldegallerie bin ich unterdessen einmal gewesen, und habe verschiedene Bemerkungen über das Publicum gemacht, welche ich mittheilen will.
Indeß Meyer unsre deutschen Künstler richtet und mustert, fallen sie reciproce über ihn her, und halten sich über seine Arbeiten auf. So schreibt mir Crusius, mein Verleger, aus Leipzig, daß die Zeichnungen vor meinen Gedichten den Leipzigern gar sehr misfallen, daß sie viel zu unbestimmt und ohne Ausdruck seyen, und bittet mich deßwegen, in künftigen Fällen einen andern Künstler vorzuschlagen. Nur möchte ich wissen, wo denn Herr Schnorr das Bestimmte und Ausdrucksvolle besitzt.
Über den Wallenstein giebt mir Cotta ganz gute Nachrichten. Von vierthalb tausend Exemplaren sind jetzt schon die meisten abgesetzt, und er macht zu einer neuen Auflage Anstalt. Daß sich das Publicum auch durch einen theuern Preis nicht vom Kaufen abschrecken läßt, ist für Ihren Faust ein sehr gutes Omen; hier kann Cotta sogleich eine Auflage von 6 bis 8000 Exemplaren machen.
Der arme Eschen, Vossens Schüler, den Sie als Übersetzer des Horaz kennen, ist im Chamouni-Thal verunglückt. Er glitschte im Steigen aus und fiel in einen Abgrund, wo er unter Schneelawinen begraben wurde und nimmer zum Vorschein kam. Es thut mir sehr leid um den armen Schelme, daß er auf eine so jämmerliche Art aus der Welt gehen mußte.
Den 6. September.
Mir ist noch kein Brief von Ihnen gebracht worden. Ich will hoffen daß recht großer Fleiß Sie abgehalten, mir zu schreiben. Leben Sie recht wohl und lassen mich bald von Ihnen hören.
Sch.
*Nicht bei H, zitiert nach S.
H 762 | S 763 | B 765
Weimar, den 2. September 1800
Sie erhalten hiebei den Humboldtischen Aufsatz.
Mögen Sie sich wohl gegen fünf Uhr parat halten; ich hole Sie ab oder lasse Sie abholen, um auf der Akademie die Sachen beisammen zu sehen; es sind noch wundersame Dinge angekommen.
Diesen Abend bleiben wir wieder zusammen, um noch zu guter Letzt die nöthigsten Dinge zu verhandeln.
G.
H 761 | S 762 | B 764
Ober-Weimar, den 17. August 1800
Ich habe gestern umsonst gehofft, Sie zu sehen. Ganz spät Abends war ich in der Stadt, weil meine Frau nicht wohl geworden, und bin gegen zehn Uhr wieder zurückgekommen.
Der tollste Zufall von der Welt muß mich hier einer Hochzeit, die vielleicht auf sechs Meilen die einzige in der Gegend ist, gegenüber logiren, gerade da ich aus der Stadt geflüchtet bin, um dem Geräusch zu entgehen. Ich habe die ganze Nacht nicht geschlafen, und selbst der Vormittag wurde mir verdorben, weil man unter Geschrei und Spässen die Aussteuer der Braut aufpackte. So verschwört sich alles gegen meinen Fleiß, und ich werde noch einige Zeit brauchen, fürchte ich, um im Gange zu seyn. Vielleicht fahren Sie diesen Abend bei mir an, ich werde wenigstens bereit seyn. Leben Sie recht wohl.
Sch.
H 760 | S 761 | B 763
[Oberweimar, den ]15. August 1800
Ich habe mich gestern Abend nach Ober-Weimar herausgemacht und genieße jetzt einen recht heitern Morgen. Doch fürchte ich, daß so lang die Hitze anhält, nicht viel geschehen wird, weil Geist und Körper ganz ermattet sind.
Vielleicht entschließen Sie sich heute Abend spazieren zu fahren und bei mir vorzusprechen. Auch bin ich neugierig zu erfahren, ob neue Concurrenzstücke eingesandt worden. Mein Bedienter geht gegen Ein Uhr mit meinem Mittagessen zurück, wenn Sie mir etwas wollen sagen lassen.
Leben Sie recht wohl.
Sch.
H 759 | S 760 | B 762
Weimar, den 12. August 1800
Wenn Sie heute mit zu Legationsrath Bertuch gehen wollen, so komme ich um Ein Uhr mit dem Wagen Sie abzuholen.
Hierbei folgt auch ein Exemplar meiner Gedichte, für Ihre liebe Frau; sie soll es aber nicht binden lassen, bis ich darüber gesprochen; denn die Runzeln im Wallenstein, welche Sie Herrn Frommann und seiner Maschine Schuld geben, kommen vom Binden her und lassen sich vermeiden wie ich angeben will.
Ich wünsche daß Sie sich heute besser als gestern befinden mögen, obgleich das Barometer noch immer zu meinen Gunsten steht.
G.
H 758 | S 760 | B 761
[Weimar, den 2. August 1800]
Ich freue mich aus Ihrem Brief Ihre baldige Rückkunft zu vernehmen und wünsche Glück, daß Sie Ihre Zeit so gut angewandt haben, auch daß an den Faust gedacht worden ist. So verliere ich die Hoffnung nicht, daß diese Jahr noch ein großer Schritt darin geschehen wird.
Ich kann Ihnen dießmal nur einen kurzen Gruß sagen. Göpferdt sendet mir zwei Correcturen zu, die schnell expedirt seyn müssen, und ich bin gezwungen auf die Bibliothek zu gehen, um eine ganze Literatur zusammen zu suchen. Mein Stück führt mich in die Zeiten der Troubadours, und ich muß um in den rechten Ton zu kommen, auch mit den Minnesängern mich bekannter machen. Es ist an dem Plan dieser Tragödie noch gewaltig viel zu thun, aber ich habe große Freude daran, und hoffe, wenn ich mich bei dem Schema länger verweile, in der Ausführung alsdann desto freier fortschreiten zu können.
Der Gedanke wegen der Höllenbraut ist nicht übel und ich werde mir ihn gesagt seyn lassen.
Leben Sie also wohl bis auf Wiedersehen. Meine Frau grüßt Sie auf’s beste.
Sch.
H 757 | S 758 | B 760
Jena, den 1. August 1800
Tancreden hab’ ich gestern früh schon bei Seite gelegt. Übersetzt, und hie und da ein wenig mehr, habe ich den Schluß vom zweiten Act, den dritten und vierten Act, ohne den Schluß von beiden. Dadurch habe ich mich, wie ich glaube, der edlern Eingeweide des Stücks versichert, denen ich nun noch einiges Belebende andichten muß, um dem Anfang und Ende etwas mehr Fülle als im Original zu geben. Die Chöre werden recht gut passen; allein dem ungeachtet werde ich mich sehr nüchtern verhalten, um nicht das Ganze zu zerstören. Es kann mich indessen auf dem Weg, auf dem wir sind, niemals reuen, dieses Unternehmen fortzuführen und durchzusetzen.
Gestern habe ich einiges Geschäftsähnliche besorgt und heute einen kleinen Knoten in Faust gelöst. Könnte ich von jetzt an noch vierzehn Tage hier bleiben, so sollte es damit ein ander Aussehen damit gewinnen; allein ich bilde mir leider ein, in Weimar nöthig zu seyn und opfere dieser Einbildung meinen lebhaftesten Wunsch auf.
Auch sonst sind diese Tage an mancherlei Gutem von außen nicht unfruchtbar gewesen. Wir haben lange auf eine Braut in Trauer gesonnen. Tieck in seinem poetischen Journal erinnert mich an ein altes Marionettenstück, das ich auch in meiner Jugend gesehen habe: die Höllenbraut genannt. Es ist ein Gegenstück zu Faust, oder vielmehr zu Don Juan. Ein äußerst eitles, liebloses Mädchen, das seine treuen Liebhaber zu Grunde richtet, sich aber einem wunderlichen unbekannten Bräutigam verschreibt, der sie denn zuletzt wie billig als Teufel abholt. Sollte hier nicht die Idee zur Braut in Trauer zu finden sein, wenigstens in der Gegend?
Von Baadern habe ich eine Schrift gelesen über das Pythagoräische Quadrat in der Natur, oder die vier Weltgegenden. Sei es nun daß ich seit einigen Jahren mit diesen Vorstellungsarten nicht mehr befreundet habe, oder daß er seine Intentionen uns näher zu bringen weiß, das Werklein hat mir wohl behagt und hat mir zu einer Einleitung in seine frühere Schrift gedient, in der ich freilich, auch noch jetzt, mit meinen Organen nicht alles zu packen weiß.
Ein Studirender der sich auf die Anatomie der Insecten legt, hat mir einige sehr hübsch zergliedert und demonstriert, wodurch ich denn auch in diesem Fache theils in der Kenntniß, theils in der Behandlung vorwärts gegangen bin.
Wenn man so einen jungen Mann nur ein Vierteljahr zweckmäßig beschäftigen könnte, so würde sich recht viel Erfreuliches neben einander stellen lassen. Indessen, wenn ich wieder herüber kommen kann, ehe die Verpuppungszeit gewisser Raupen eintritt, so will ich doch seine Thätigkeit und Geschicklichkeit zu benutzen suchen. Man könnte zwar leicht diese Dinge selbst machen, wenn es einen nur nicht sogleich mit Gewalt in ein abgelegnes Feld hinüber führte.
Montag werde ich wieder bei Ihnen seyn, wo ich manches sowohl schwarz auf weiß mitbringe, als zu erzählen habe. Leben Sie indessen wohl und fleißig und gedenken mein.
G.
H 756 | S 757 | B 759
Weimar, den 30. Juli 1800
Der heitre Ton Ihres Briefs beweist mir, daß es Ihnen in Jena ganz wohl geht, wozu ich Glück wünsche. Ich kann dasselbe von mir nicht rühmen; der Barometerstand, der Ihnen so günstig ist, regt meine Krämpfe auf, und ich schlafe nicht gut. Unter diesen Umständen war mir die Nachricht von Körnern, daß er nicht reisen könne, sehr willkommen. Ich werde also nicht nach Lauchstedt gehen, und mache dadurch einen unverhofften Gewinn an Zeit und auch an Geld; denn so gern ich ihn wieder gesehen hätte, so war es mir gerade jetzt ein wenig lästig.
Ich gratulire zum Fortschritt in Ihrer Arbeit. Die Freiheit, die Sie sich mit dem französischen Original zu nehmen scheinen, ist mir ein sehr gutes Zeichen Ihrer productiven Stimmung; auch augurire ich daraus, daß wir noch einen Schritt weiter vorwärts kommen werden als bei’m Mahomet. Mit Verlangen erwarte ich die Mittheilung des Werks und unsre Gespräche darüber. Wenn Sie den Gedanken mit dem Chor ausführen, so werden wir auf dem Theater ein wichtiges Experiment machen.
Auch von meinem Stück hoffe ich Ihnen, wenn Sie zurückkommen das fertige Schema vorzulegen, um mich, ehe ich an das Ausführen gehe, Ihrer Beistimmung zu versichern. In diesen letzten Tagen hat mich der Schluß meiner Gedichtsammlung noch beschäftigt. Die Stanzen über den Mahoment habe ich auch darin abdrucken lassen. Göpferdt kann Ihnen, wenn Sie neugierig darauf sind, die Bogen R und S zusenden, sobald sie abgedruckt sind.
Kirms hat mir heute eine sehr willkommene Rolle Geld zugesendet, für die ich Ihnen bestens Dank sage.
Meine Frau grüßt Sie auf’s schönste. Leben sie recht wohl, und erfreuen sich der bunten Mannigfaltigkeit, die Sie in Jena umgibt. Mellisch ist gestern hier durchgekommen und wohnt wieder in Dornburg. Er hat mir viel von dem lustigen Leben erzählt, das in Wilhelmsthal geführt wird, wo es sehr utopisch hergeht. Meine Schwägerin hatte ein großes Unglück mit dem Wagen, der entzwei ging, doch hat sie selbst keinen Schaden gelitten.
Leben Sie recht wohl.
Sch.
H 755 | S 756 | B 758
Jena, den 29. Juli 1800
Meine Arbeit geht ihren Gang fort, meine Übersetzung schreibe ich des Morgens so viel ich kann, mit Bleistift, und dictire sie dann in ruhigen Augenblicken, wodurch das erste Manuscript schon ziemlich rein erscheinen wird. Zu Ende dieser Woche bin ich mit den drei letzten Acten fertig und will die zwei ersten auf einen frischen Angriff versparen. Ich sage nichts vom Ganzen, das uns zu unsern Zwecken auf alle Weise behülflich sein wird. Es ist eigentlich ein Schauspiel; denn alles wird darin zur Schau aufgestellt, und diesen Charakter des Stücks kann ich noch mehr durchsetzen, da ich weniger genirt bin als der Franzose. Der theatralische Effect kann nicht außen bleiben, weil alles darauf berechnet ist und berechnet werden kann. Als öffentliche Begebenheit und Handlung fordert das Stück nothwendig Chöre, für die will ich auch sorgen, und hoffe es dadurch so weit zu treiben als es seine Natur und die erste gallische Anlage erlaubt. Es wird uns zu guten neuen Erfahrungen helfen.
Zu dieser Arbeit brauch’ ich ohngefähr vier Stunden und zur Übersicht dient folgendes Schema, wie mannigfaltig und mitunter lustig die übrige Zeit benutzt worden.
Kurze Übersicht derer Gaben, welche mir in dieser Stapelstadt des Wissens und der Wissenschaft, zur Unterhaltung sowohl als zur geistigen und leiblichen Nahrung mitgetheilt worden.
- Loder gab:
- fürtreffliche Krebse, von denen ich Ihnen einen Teller zugewünscht habe;
- köstliche Weine;
- einen zu amputirenden Fuß;
- einen Nasenpolypen;
- einige anatomische und chirurgische Aufsätze;
- verschiedene Anekdoten;
- ein Mikroskop und Zeitungen.
- Frommann:
- Griesens Tasso;
- Tiecks Journal erstes Stück.
- Fr. Schlegel:
- Ein eignes Gedicht;
- Aushängebogen des Athenäum.
- Lenz:
- Neue Mineralien, besonders sehr schön krystallisirte Chalcedone.
- Mineralogische Gesellschaft:
- einige Aufsätze hohen und tiefen Standpuncts;
- Gelegenheit zu allerlei Betrachtungen.
- Ilgen:
- Die Geschichte Tobi’s;
- verschiedne heitre Philologica.
- Der botanische Gärtner:
- Viele Pflanzen nach Ordnungen, wie sie hier im Garten stehen und zusammen blühen.
- Cotta:
- Der Zufall:
- Gustav Wasa von Brentano.
- Die Literaturhändel:
- Lust Steffens kleine Schrift über Mineralogie zu lesen.
- Graf Veltheim:
- Seine zusammengedruckten Schriften, geistreich und lustig, aber leider leichtsinnig, dilettantisch, mitunter hasenfüßig und phantastisch.
- Einige Geschäfte:
- Gelegenheit mich zu vergnügen und zu ärgern.
Zuletzt sollte ich Ihres Memnons nicht vergessen, der denn auch wie billig zu den merkwürdigen Erscheinungen und Zeichen der Zeit gerechnet werden muß.
Wenn Sie nun alle diese Gespenster durch einander spuken lassen, so können sie denken daß ich weder auf meinem Zimmer noch auf meinen einsamen Promenaden allein bin. Für die nächsten Tage ist mir noch die wunderlichste Mannigfaltigkeit angekündigt, wovon mit nächstem Botentag das Mehrere. Zugleich werde ich auch den Tag meiner Rückkunft bestimmen können. Leben Sie recht wohl und thätig, wenn Ihnen diese Barometerhöhe so gut als mir bekommt.
G.
H 754 | S 755 | B 757
Weimar, den 26. Juli 1800
Irgend ein Spiritus familiaris hat mir geoffenbart, daß Sie den Tancred übersetzen, denn ich habe es, eh’ ich Ihren Brief erhielt, als bekannt angenommen. Für unsere theatralischen Zwecke ist das Unternehmen gewiß sehr förderlich, ob ich gleich herzlich wünsche, daß der Faust es verdrängen möchte.
Übrigens beneide ich Sie darum, daß Sie doch etwas wirklich entstehen sehen. In diesem Fall bin ich noch nicht, weil ich über das Schema meiner Tragödie noch immer nicht in Ordnung bin, und noch große Schwierigkeiten aus dem Wege zu räumen habe. Ob man gleich bei jedem neu zu producirenden Werk durch eine solche Epoche hindurch muß, so gibt es doch stets das peinliche Gefühl, als ob nichts geschähe, weil am Abend nichts kann aufgezeigt werden.
Was mich bei meinem neuen Stücke besonders incommodirt, ist, daß es sich nicht so wie ich wünsche in wenig große Massen ordnen will, und daß ich es, in Absicht auf Zeit und Ort in zu viel Theile zerstückeln muß, welches, wenn auch die Handlung selbst die gehörige Stetigkeit hat, immer der Tragödie widerstrebend ist. Man muß, wie ich bei diesem Stück sehe, sich durch keinen allgemeinen Begriff fesseln, sondern es wagen, bei einem neuen Stoff die Form neu zu erfinden, und sich den Gattungsbegriff immer beweglich erhalten.
Ich lege ein neues Journal bei, das mir zugeschickt worden, woraus Sie den Einfluß Schlegel’scher Ideen auf die neuste Kunsturtheile zu Ihrer Vewunderung ersehen werden. Es ist nicht abzusehen was aus diesem Wesen werden soll, aber weder für die Hervorbringung selbst, noch für das Kunstgefühl kann dieses hohle leere Fratzenwesen ersprießlich ausfallen. Sie werden erstaunen darin zu lesen: daß das wahre Hervorbringen in Künsten ganz bewußtlos seyn muß, und daß man es besonders Ihrem Genius zum großen Vorzug anrechnet, ganz ohne Bewußtseyn zu handeln. Sie haben also sehr unrecht, sich wie bisher rastlos dahin zu bemühen, mit der größtmöglichen Besonnnenheit zu arbeiten, und sich Ihren Proceß klar zu machen. Der Naturalism ist das wahre Zeichen der Meisterschaft, und so hat Sophokles gearbeitet.
Wann ich nach Lauchstedt gehen werde, hängt von einem Brief ab, den ich noch von Körnern erwarte. Sollte das Project nicht zu Stande kommen, so werde ich auf einige Zeit nach Ettersburg gehen, und mich dort für den Anfang meiner Arbeit zu sammeln suchen.
Mögen Ihnen die Musen günstig sein. Meine Frau grüßt Sie.
Sch.
H 752 | S 754 | B 756