773. An Goethe

Weimar, 5. September 1800

Der Humboldtische Aufsatz, den ich Ihnen hier zurückschicke, wird recht gut zu brauchen seyn. Der Inhalt muß interessiren, denn er betrifft einen abgeschlossenen menschlichen Zustand, der wie der Berg auf dem er seinen Sitz hat, vereinzelt und inselförmig ist, und mithin auch den Leser aus der Welt heraus und in sich selbst hineinführt. [Die Beschreibung könnte ein wenig lebhafter und unterhaltender sein, doch ist sie nicht trocken, und zuweilen läßt sich vielleicht mit einem Worte oder einem Strich nachhelfen]*. Es wäre zu wünschen, daß unmittelbar neben diesem Gemälde ein entgegengesetztes von dem bewegtesten Weltleben hätte angebracht werden können, so würden beide eine doppelte Wirkung thun.

Ich hoffe Sie haben sich in Ihrer Einsamkeit nun bald wieder gefunden und erwarte in Ihrem morgenden Brief schon zu lesen daß etwas producirt worden ist. Auch ich habe nun förmlich beim Anfang angefangen und hoffe noch einen Abschnitt zu erreichen, ehe ich nach Jena hinüber komme. Auf der Gemäldegallerie bin ich unterdessen einmal gewesen, und habe verschiedene Bemerkungen über das Publicum gemacht, welche ich mittheilen will.

Indeß Meyer unsre deutschen Künstler richtet und mustert, fallen sie reciproce über ihn her, und halten sich über seine Arbeiten auf. So schreibt mir Crusius, mein Verleger, aus Leipzig, daß die Zeichnungen vor meinen Gedichten den Leipzigern gar sehr misfallen, daß sie viel zu unbestimmt und ohne Ausdruck seyen, und bittet mich deßwegen, in künftigen Fällen einen andern Künstler vorzuschlagen. Nur möchte ich wissen, wo denn Herr Schnorr das Bestimmte und Ausdrucksvolle besitzt.

Über den Wallenstein giebt mir Cotta ganz gute Nachrichten. Von vierthalb tausend Exemplaren sind jetzt schon die meisten abgesetzt, und er macht zu einer neuen Auflage Anstalt. Daß sich das Publicum auch durch einen theuern Preis nicht vom Kaufen abschrecken läßt, ist für Ihren Faust ein sehr gutes Omen; hier kann Cotta sogleich eine Auflage von 6 bis 8000 Exemplaren machen.

Der arme Eschen, Vossens Schüler, den Sie als Übersetzer des Horaz kennen, ist im Chamouni-Thal verunglückt. Er glitschte im Steigen aus und fiel in einen Abgrund, wo er unter Schneelawinen begraben wurde und nimmer zum Vorschein kam. Es thut mir sehr leid um den armen Schelme, daß er auf eine so jämmerliche Art aus der Welt gehen mußte.

Den 6. September.

Mir ist noch kein Brief von Ihnen gebracht worden. Ich will hoffen daß recht großer Fleiß Sie abgehalten, mir zu schreiben. Leben Sie recht wohl und lassen mich bald von Ihnen hören.

Sch.

*Nicht bei H, zitiert nach S.

H 762 | S 763 | B 765