Weimar, am 30. November 1803
In meiner jetzigen Ein- und Abgeschlossenheit erfahre ich nur an dem immer kürzeren Tagesbogen, daß sich die Zeit bewegt. Durch den Mangel an aller Zerstreuung und durch ein vorsätzliches Beharren erhalte ich so viel, daß meine Arbeit wenigstens nicht still steht, obgleich meine ganze Physik unter dem Druck dieser Jahrszeit leidet.
Ihr Brief zeigt daß Sie heiter sind, und mit Vergnügen sehe ich, daß Sie mit Hegeln näher bekannt werden. Was ihm fehlt, möchte ihm wohl nun schwerlich gegeben werden können, aber dieser Mangel an Darstellungsgabe ist im Ganzen der deutsche Nationalfehler und compensirt sich, wenigstens einem deutschen Zuhörer gegenüber, durch die deutsche Tugend der Gründlichkeit und des redlichen Ernstes.
Suchen Sie doch Hegeln und Fernow einander näher zu bringen; ich denke es müßte gehen, dem einen durch den andern zu helfen. Im Umgang mit Fernow muß Hegel auf eine Lehrmethode denken, um ihm seinen Idealismus zu verständigen, und Fernow muß aus seiner Flachheit herausgehen. Wenn Sie beide vier- oder fünfmal bei sich haben und in’s Gespräch bringen, so finden sich gewiß Berührungspunkte zwischen beiden.
Professor Rehberg ist vor acht Tagen hier durchgekommen; Sie würden mir mehr Aufschluß über ihn geben können, als ich selbst gefunden, da ich gar nichts von ihm wußte. Er hat eine Achtung und eine Neigung zu dem deutschen Wesen; aber ich weiß nicht, ob er ein Organ hat, die idealistische Denkweise aufzunehmen. Der nordische Magnet scheint mächtig auf alle Deutschen in Italien zu wirken; denn was wir im Norden treiben, beunruhigt sie ganz gewaltig mitten im Süden.
Man sagt hier, daß die Hallenser ein Verbot der Jenaischen Zeitung im Preußischen ausgewirkt. Ich kann es kaum glauben, schreiben sie mir doch was daran ist.
Thibaut, der neulich hier war, hat von der Jenaischen Zeitung auch ganz gute Hoffnungen. Sonst war er sehr bedenklich und wollte gar nicht daran glauben.
Sie schreiben mir nichts von Voß; grüßen Sie ihn doch, wenn Sie ihn sehen und theilen mir etwas von ihm mit.
Frau von Stael ist wirklich in Frankfurt, und wir dürfen Sie bald hier erwarten. Wenn sie nur Deutsch versteht, so zweifle ich nicht, daß wir über sie Meister werden; aber unsere Religion in französischen Phrasen ihr vorzutragen und gegen ihre französische Volubilität aufzukommen, ist eine zu harte Aufgabe. Wir würden nicht so leicht damit fertig werden wie Schelling mit Camille Jourdan der ihm mit Locke angezogen kam. – Je méprise Locke, sagte Schelling, und so verstummte dann freilich der Gegner.
Leben Sie recht wohl.
Sch.
H 925 | S 932 | B 937
Jena, am 27. November 1803
Wenn ich nicht bei Zeiten schreibe, so unterbreche ich später noch schwerer das Stillschweigen; also will ich nur sagen, daß ich diese paar Tage vorerst angewendet habe um, Antworten und Promemorias in allerlei Geschäften los zu werden. Mancherlei auf das neue kritische Institut Beziehendes, das auf eine wunderliche Weise zu floriren verspricht, hat mich auch beschäftigt. Zunächst brauche ich vielleicht acht und mehr Tage zur Redaction des Programms über die Kunstausstellung und das polygnotische Wesen. Ist dieses in Druckers Händen, so will ich sehen, ob’s nicht möglich ist irgend etwas erfreuliches zu produciren. Geht es nicht, so werde ich auch deßhalb mich zu trösten wissen.
Recht angenehme Stunden habe ich mit Schelver, Hegel und Fernow zugebracht. Der erste arbeitet, im botanischen Fach, so schön aus was ich für’s Rechte halte, daß ich meinen eignen Ohren und Augen kaum traue, weil ich gewohnt bin, daß jedes Individuum sich, aus närrischer Sucht originaler Anmaßung, vom schlichten Weg fortschreitender Potentiirung, mit fratzenhaften Seitensprüngen so gern entfernt.
Bei Hegeln ist mir der Gedanke gekommen: ob man ihm nicht, durch das Technische der Redekunst, einen großen Vortheil schaffen könnte. Es ist ein ganz vortrefflicher Mensch; aber es steht der Klarheit seiner Äußerungen gar zu viel entgegen.
Fernow ist, in seiner Art, gar brav, und hat eine so redliche und rechtliche Ansicht der Kunsterscheinungen. Wenn ich mit ihm spreche, so ist mir’s immer, als käme ich erst von Rom und fühle mich zu einiger Beschämung vornehmer als in der so viele Jahre nun geduldeten Niedertracht nordischer Umgebung, der man sich doch auch mehr oder weniger assimilirt.
Es ist merkwürdig, daß das Historische, das so viel ist, wenn es würdige Gegenstände behandelt, auch etwas an und für sich werden und uns etwas bedeuten kann, wenn der Gegenstand gemein, ja sogar absurd ist.
Doch das deutet von jeher auf einen jämmerlichen Zustand, wenn die Form alle Kosten hergeben muß.
Die Herren sind übrigens fort und gehen fort, und es fällt niemanden ein, als ob dadurch etwas verloren sey. Man läutet zum Grabe des tüchtigen Bürgers allenfalls auch die Stadt zusammen, und die überbleibende Menge eilt mit dem lebhaften Gefühl nach Hause, daß das löbliche gemeine Wesen vor wie nach bestehen könne, werde und müsse.
Und somit leben Sie wohl, leisten Sie das Bessere, in sofern es Ihnen gegönnt ist. Sagen Sie mir etwas von Zeit zu Zeit, ich will mir zum Gesetz machen wenigstens alle acht Tage zu schreiben, um von meinen Zuständen Nachricht zu geben.
G.
H 924 | S 931 | B 936
[Weimar, den 14. November 1803]
Man bittet mich, Sie darum anzugehen, daß auf den Mittwoch Wallensteins Lager möchte zu den Brüdern gespielt werden, weil Beschort eine Anschauung zu diesem Stück zu bekommen wünschte, das in Berlin jetzt auch soll gespielt werden. Auch Brühl sähe es gern und es geschähe also mehrern dadurch ein Gefallen.
Weil wir jetzt drei Schauspieler mehr haben, so riet ich an, die drei mitsprechenden Statisten, nämlich den Kroat, den Schwytzer und den zweiten Kürassier mit unsern drei neuen Schauspielern zu besetzen, so kann das Stück durchaus frisch weggespielt werden.
In der Komödie sehe ich Sie heute wohl?
S.
Nicht bei H, zitiert nach S
H – | S 930 | B 935
Weimar, den 9. November 1803
Da ich weder von Ihnen etwas sehe noch höre, so muß ich doch nach den Zuständen fragen. Von einigen jenaischen Freunden, die indes hier waren, habe ich erfahren, daß man Sie nicht sieht, welches ein ganz gutes Zeichen ist, daß Sie einen besseren Umgang haben. Ich bin hier auch fleißig, weil ichmich durch gar nichts zerstreue und selbst keine Komödie besuche. Wenn ich in dieser Wärme bleibe, so kann ich doch gegen den März fertig werden.
Paulus hat von Würzburg keien besondern Erwartungen, welches wohl zu glauben ist. Aber von den jenaischen Zuständen höre ich Gutes, die Zahl scheint sich noch nicht auf eine merkliche Art vermindert zu haben. Die Philosophie vestummt nicht ganz, und unser Dr. Hegel soll viel Zuhörer bekommen haben, die selbst mit seinem Vortrag nicht unzufrieden. Ohne Zweifel haben Sie in Jena davon gehört, daß bei den Studenten ein großes Verlangen sich zeigt den Ritter zu hören. Man sagte mir, daß die Studenten bei dem Herzog bittlich darum einkommen wollen, ihn zum Professor zu machen. Es möchte wohl gut sein, ihn fest zu halten, weil er doch einen Ruf hat und bei der allgemeinen Bewegung auch könnte weggeführt werden. Da Gotha sehr für ihn ist ,wo würde dies nicht nur keine Schwierigkeit haben, sondern vielleicht noch bei Gotha dazu dienen können, den Niethammer zur Gefälligkeit auch anzunehmen.
Die Herzogin Mutter wünschte gar sehr den Grafen Brühl, der morgen hieher kommt und nur bis auf den Dienstag bleibt, mit den Brüdern zu regalieren, weil er ein Stück mit Masken sehen will, sie hat mir ihr Verlangen sehr nah gelegt, und ich will es Ihnen also auch empfehlen. Wenn es irgend möglich, so lassen Sie doch den Montag die Brüder spielen, es kann ja noch ein ander kleines Stück damit verbunden werden.
Herzlich grüße ich Sie und bitte mir bald ein Lebenszeichen zu geben.
Sch.
Nicht bei H, zitiert nach S
H – | S 929 | B 934
[Weimar,] Am 29. October 1803
Hier der Kaufmann von Venedig mit Bitte um gefällige Übernahme der Revision und der Proben. Über die Austheilung denken Sie bei’m Durchlesen nochmals nach, und wir sprechen darüber. Vielleicht mögen Sie morgen Abend um sechs Uhr zu mir kommen, es wird allerlei dramatisch-musikalische Proben geben. Hierbei ein Exemplar Taschenbuch.
G.
H 923 | S 928 | B 933
Weimar, am 2. October 1803
Ich habe mich sehr über das gestern Geleistete gefreut, am meisten durch Ihre Theilnahme. Bei der nächsten Vorstellung schon hoffe ich die Erscheinung zu steigern; es ist ein großer Schritt, den wir gleich zu Anfang des Winters thun.
Ich will gern gestehn, daß ich es auch in dem Sinn unternahm Ihre wichtige Arbeit zu fördern; für mein Vornehmen habe ich auch schon Vortheil daraus gezogen.
Ein Blatt an Trapizius liegt bei. Möge Ihnen das einsame Zimmer recht gute Stimmung geben.
Die zwei Bände Bücherkatalog erhält die akademische Bibliothek zurück, wogegen ich einen ausgestellten Zettel erhalte. Leben Sie bestens wohl.
G.
H 922 | S 927 | B 932
[Weimar, den 2. Oktober 1803]
Diesen Vormittag gehe ich nach Jena, weil meine Schwiegermutter auch diesen Weg macht, ich nehme einen großen Eindruck mit und über acht Tage bei der zweiten Vorstellung werde ich Ihnen etwas darüber sagen können. Es ist keine Frage, daß der Julius Cäsar alle Eigenschaften hat, um ein Pfeiler des Theaters zu werden: Interesse der Handlung, Abwechslung und Reichthum, Gewalt der Leidenschaft und sinnliches Leben vis à vis des Publicums – und der Kunst gegenüber hat er alles was man wünscht und braucht. Alle Mühe die man also noch daran wendet, ist ein reiner Gewinn, und die wachsende Vollkommenheit bei der Vorstellung dieses Stücks muß zugleich die Fortschritte unsers Theaters zu bezeichnen dienen.
Für meinen Tell ist mir das Stück von unschätzbarem Werth; mein Schifflein wird auch dadurch gehoben. Er hat mich gleich gestern in die thätigste Stimmung gesetzt.
Auf den Donnerstag spätestens denke ich Sie wieder hier zu sehn. Wollen sie die Güte haben und mir zwei Zeilen an Trapizius mitgeben, wegen Ihrer Zimmer? Ich entgehe durch diesen Ausweg der Verlegenheit bei den Freunden zu logiren, wo ich meine Freiheit und meinen Zweck verlieren würde.
Was mache ich mit den zwei Bänden Bücherkatalog? Soll ich sie in Ihrem Namen der Bibliothek zurückgeben?
Leben Sie recht wohl und mögen Ihnen diese Woche die besten Gedanken erscheinen!
Sch.
Um zehn Uhr wünschte ich wegzufahren.
H 921 | S 926 | B 931
Weimar, am 30. September 1803
Mit einer sehr unerfreulichen modernen Römerin sende ich Ihnen einen interessanten Brief von Johannes Müller, und frage an, ob wir uns diesen Nachmittag irgendwo begegnen können. Um sechs Uhr ist Hauptprobe von Julius Cäsar.
G.
H 920 | S 925 | B 930
[Weimar, den 23. September 1803]
Weil ich diesen Sommer Wochen und Monate verschwendet, so muß ich jetzt wohl Tage und Stunden zu Rath halten. Ich kann also Ihre freundschaftliche Einladung nach Tieffurth zu fahren nicht annehmen. Vielleicht mögen Sie bei Ihrer Rückkunft bei mir vorsprechen, oder ich komme gegen fünf Uhr zu Ihnen; denn die späten Abendstunden sind mir zuweilen günstig zur Arbeit und müssen die Morgenstunden ersetzen, die verloren gehen. Wir könnten vielleicht eine Einrichtung treffen uns öfters zwischen drei und fünf Uhr zu sehen, um, indem wir den Tag in der Mitte zerschneiden, zwei daraus zu machen.
Leben Sie recht wohl.
Sch.
H 919 | S 924 | B 929
Weimar, am 23. September 1803
Möchten Sie wohl beikommendes Blatt an Fichten abgehen lassen? Leider steht die ganze Sache nicht erfreulich. Fichte steht bei seinem großen Verstande noch im Wahn, als könnte man vor Gericht auf seine eigene Weise Recht behalten, da es doch daselbst hauptsächlich auf gewisse Formen ankommt. Auch ist, wie Sie aus dem Blättchen sehen werden, Salzmann, der von Grund aus nichts taugt, abzuschaffen. Mich verlangt sehr Sie zu sehen. Möchten Sie wohl bei dem schönen Tage heute Mittag mit nach Tieffurth fahren? ich habe mich anmelden lassen, und man wird Sie gewiß auch sehr gerne sehen; ich würde nach zwölf Uhr kommen um Sie abzuholen.
G.
H 918 | S 923 | B 928
[Weimar, den 17. September 1803]
Ich denke diesen Abend ins Schauspiel zu kommen, auf dem kurzen Weg kann ich mich schon verwahren. Übrigens plagt mich noch der Katarrh und ich muß abwarten, wenn er nicht hartnäckig werden soll.
Fernow sagte mir, daß ihm Cotta bei seiner Durchreise gesagt, er wolle die natürliche Tochter, wie sie fertig sey, an Humboldt schicken. Sie können es also, dächt’ ich, diesem überlassen, und es ihm etwa noch selbst auftragen. Das Paket kommt zu einer Zeit an, wo der Verlust nicht mehr ganz neu ist, und in diesem Fall kann das Werk des Dichters eher eine gute als schlimme Wirkung thun.
Wollten Sie wohl die Güte haben und sich, da heute Botentag ist, den Katalog der Schweizergeschichte und etwa der deutschen Reichsgeschichte von Vulpius kommen lassen.
Ich freue mich Sie heute zu sehen. Wenn Sie in die Komödie fahren oder aus derselben, so nehmen Sie mich wohl mit.
Sch.
H 917 | S 922 | B 927
Weimar, am 17. September 1803
Schreiben Sie mir doch, wie Sie sich befinden und ob Sie heute Abend ins Schauspiel gehen können, ich sehe Sie heute auf alle Fälle. Indessen bitte ich um Ihren Rath. Indem ich daran denke Humboldten etwas Freundliches zu erzeigen, so fällt mir ein ihm die natürliche Tochter stückweise zu schicken; zugleich aber auch das Bedenken, daß der Verlust eines Kindes der Gegenstand ist. Soll man hoffen durch die nachgeahmten Schmerzen die wahren zu lindern, oder soll man sich vor dem stoffartigen Eindruck fürchten?
Ich wünsche zu hören, daß Sie wieder wohl sind.
G.
H 916 | S 921 | B 926
[Weimar, den 14. September 1803]
Ich höre, daß Sie heute eine Leseprobe von Julius Cäsar haben und wünsche guten Succeß. Mich sperrt ein heftiger Schnupfen noch zu Hause ein und macht mir den Kopf sehr wüste.
Die zwei theatralischen Recruten habe ich gestern gesehen, sie stellen sich recht gut dar, und mit dem Dialekt des einen gehts doch noch leidlicher, als ich erwartet hatte. Von ihrem guten Willen wird mehr als von ihrem Talent zu hoffen sein.
Grüner hätte großes Verlangen in der Jungfrau von Orleans als Gespenst aufzutreten. In mancher Rücksicht würde ihm diese Art der Einführung nicht ungünstig seyn. Außerdem daß die Rolle klein und also sehr genau einzulernen ist, kann sie auch mit einer gewissen Monotonie gesprochen werden und verlangt wenig Bewegung. Das Seltsame wird sich darin mit dem Neuen gut verbinden, und Graff, der sich jetzt des Umziehens wegen mit dieser Rolle nur plagt, wird gern davon befreit werden.
Beckern habe ich noch nicht allein sprechen können.
Leben Sie recht wohl. Ich wünsche sehr Sie bald wieder zu sehen.
Sch.
H 913 | S 920 | B 925
[Weimar, den 12. September 1803]
Es kommen mir heute so viele dringende Briefexpeditionen zusammen, daß ich vor neun Uhr nicht fertig werden und also nicht kommen kann.
Aus beiliegendem Brief ersehen Sie leider, daß unser Freund Humboldt einen harten Verlust erlitten hat. Schreiben Sie ihm, wenn Sie können, ein Wort des Antheils. Er dauert mich sehr, weil gerade dieses Kind das hoffnungsvollste war von allen.
Den Brief erbitte ich mir wieder zurück.
Sch.
H 912 | S 919 | B 924
Weimar, den 6. September 1803
Heute ist es das erstemal, daß mir die Sache Spaß macht. Sie sollten den Wust von widersprechenden und streitenden Nachrichten sehen! Ich lasse alles heften und regalire Sie vielleicht einmal damit, wenn alles vorbei ist. Nur in einem solchen Moment kann man am Moment Interesse finden. Nach meinem Nilmesser kann die Verwirrung nur um einige Grade höher steigen, nachher setzt sich der ganze Quark wieder nach und nach, und die Landleute mögen dann säen! Ich freue mich Ihrer Theilnehmung und sehe Sie bald.
G.
H 915 | S 918 | B 923
[Weimar, August 1803 ?]
Ich bin von der Hitze und dem verwünschten Barometerstand so angegriffen, daß ich mich nicht entschließen kann vor die Thüre zu gehen, auch bin ich keines ordentlichen Gedankens fähig.
Fühle ich mich erleichtert, so seh’ ich Sie vielleicht heut Abend nach dem Nachtessen noch ein Stündchen. Haben Sie irgend ein Novum zum Lesen so bitte ich darum.
Sch.
H 910 | S 917 | B 922
Weimar, am 9. August 1803
Dem Überbringer dieses, Herrn Arnold aus Straßburg, bitte ich Sie einige Augenblicke zu schenken und ihm ein freundliches Wort zu sagen. Er hängt an dem deutschen Wesen mit Ernst und Liebe; er hat sich’s sauer werden lassen etwas zu lernen, und reist mit den besten Vorsätzen zurück, um etwas Würdiges zu leisten. Von Göttingen, wo er studirt, und von Straßburg, wo er die schreckliche Revolutionszeit verlebte, kann er Ihnen manches erzählen.
Sie sind mir neulich ganz unvermuthet entwischt, nachdem ich von Jena zurückgekommen; aber ich höre von Meyern daß Sie übermorgen wieder hier seyn werden. Ich wünsche gute Geschäfte, ich selbst stehe noch immer auf meinem alten Fleck und bewege mich um den Waldstettersee herum. Die Reise nach Jena an dem heißen Tage hat mich aber so angegriffen, daß ich sie jetzt noch fühle. Was sagen Sie dazu, daß nun auch die Lit. Zeitung aus Jena auswandert?
Leben Sie recht wohl und kommen Sie bald mit guten Früchten Ihrer Einsamkeit zurück.
Sch.
H 911 | S 916 | B 921
Lauchstedt, den 6. Juli 1803
Ich kann die Jagemann nicht abreisen lassen, ohne Ihnen ein kleines Lebenszeichen zu geben. Es gefällt mir hier bis jetzt sehr wohl, der Ort und die Gelegenheiten der Gesellschaft haben einen freundlichen Eindruck auf mich gemacht, und wenn man sich einmal frisch resolvirt gar nichts zu thun, so läßt sich’s unter dem Treiben einer Menge, die auch nichts zu thun hat, ganz leidlich müßig gehen. Länger freilich als acht oder zwölf Tage möchte ich einen solchen Zustand nicht aushalten.
Das Theatergebäude hat mich in dieser kurzen Zeit seine Vorzüge und auch seine Mängel erfahren lassen. Was die letztern betrifft, so finde ich daß die Stimmen an Deutlichkeit verlieren, besonders aber ist das Dach wegen seiner Form und dünnen Bauart der Witterung zu sehr ausgesetzt. In der Braut v. M. fiel ein Gewitter mit viel Regen ein, welcher so heftig schallend auf die Dachung schlug, daß man ganze Viertelstunden lang auch keine einzige zusammenhängende Rede verstehen konnte, wie sehr die Schauspieler auch ihre Stimmen anstrengten. Und den Tag darauf, wo ich das leere Schauspielhaus besichtigte, sah man die häßlichen Spuren des hereingedrungenen Regens an der schön gemalten Decke.
Die natürliche Tochter hat vielen Beifall gefunden, besonders die letzte Hälfte, wie dieß auch in Weimar der Fall war. Einige Bemerkungen, die ich bei dieser Gelegenheit gemacht, will ich Ihnen mündlich mittheilen. Die Jagemann hat sich, ungeachtet sie heiser war und gar nicht glaubte, spielen zu können, sehr gut gehalten, und dann hat Becker auch recht gut gesprochen, und auch Haide hat Beifall gefunden.
Es führt zu nützlichen Betrachtungen zuweilen ein andres Publicum zu sehen, und hier ist noch dazu ein doppeltes, weil der Sonntag ganz andre Menschen in der Komödie versammelt.
Ich werde vielleicht die Mara, die ich zu Weimar versäumen mußte, hier oder in Halle noch hören. Auf den Fall daß sie hieher kommt, habe ich mich, auf Ansuchen der Badegesellschaft, bei der Wöchnern verbürgt, daß es Ihnen nicht zuwider seyn werde, zu diesem Concert das Schauspielhaus zu nehmen. Ich muß dem Genast das Zeugniß geben, daß er recht wachsam und eifrig für’s Ganze sorgt und auf den Nutzen der Cassa so wie auf die Ehre der Gesellschaft bedacht ist.
An Schmalz, der zur natürlichen Tochter hier war, habe ich eine sehr schätzbare Bekanntschaft gemacht, und dieser einzige Abend hat uns einander gleich recht nahe gebracht. Es ist eine Freude mit einem so klaren, jovialen und rüstigen Geschäftsmann zu leben, der weder Pedant noch affectirt ist. Auch Niemeyers waren an jenem Abend hier, und ich habe ihnen versprechen müssen, diese Woche nach Halle zu kommen. Leider werde ich Wolfen dort nicht finden, da er in’s Pyrmonter Bad gereist ist. Der Herzog von Württemberg hat sich hier sehr angenehm betragen, und alles in gute Laune gesetzt; die ersten Zeiten meines Hierseins sind durch ihn sehr belebt und erheitert worden. Sonst ist die Gesellschaft hier ziemlich behaglich, zutraulich und fröhlich, nur muß man es mit der Ausbeute des Gesprächs nicht genau nehmen. Mit einigen jungen Männern, besonders aus Berlin, habe ich indessen doch verschiedene nicht uninteressante Unterhaltung gehabt.
Leben Sie recht wohl und lassen Sie den alten Götz nur recht vorwärtsschreiten. Meyern viele Grüße.
Sch.
H 908 | S 915 | B 920
Jena, den 5. Juli 1803
Wegen dem Druck des verschiedenen Zeugs, das ich in die Welt sende, bin ich hier, um mit Frommann Abrede zu nehmen, der in seiner Sache gut eingerichtet ist und dem es an einem fürtrefflichen Maître en page nicht fehlt, daher dieß Geschäft mit wenigem abgemacht ist.
Loder ist eben von Halle zurückgekehrt, wo er sich ein Haus gemiethet hat. Wenn ich mit ihm über seinen neuen Zustand spreche, so freut mich’s herzlich daß seine Würfel so gefallen sind. Welcher Lebemann möchte gern, wie wir andern wunderlichen Argonauten, den eignen Kahn über die Isthmen schleppen? Das sind Abenteuer älterer, unfähiger Schifffahrer, worüber die neuaufgeklärte Technik lächelt. Versäumen Sie ja nicht sich in Halle umzusehen, wozu Sie so manchen Anlaß finden werden. Ob ich überhaupt komme weiß ich nicht. Die noch drei brauchbaren Monate, nach meiner Weise, zu nutzen und das von außen Geforderte nothdürftig zu leisten, ist jetzt mein einziger Wunsch.
Das altdeutsche, wieder erstandene Drama bildet sich, mit einiger Bequemlichkeit um. Ich wüßte nicht zu sagen ob sich’s organisirt, oder krystallisirt; welches denn doch zuletzt, nach dem Sprachgebrauch der verschiedenen Schulen, auf Eins hinauslaufen könnte.
Übrigens bekömmt es uns ganz wohl, daß wir mehr an Natur als an Freiheit glauben, und die Freiheit, wenn sie sich ja einmal aufdringt, geschwind als Natur tractiren; denn sonst wüßten wir gar nicht mit uns selbst fertig zu werden, weil wir sehr oft in den Fall kommen, wie Bileam, da zu segnen wo wir fluchen sollten.
Möge Ihnen viel Freude auf Ihrer Fahrt gewährt seyn; denn es ist für Sie doch immer eine große Resignation sich in das zu begeben was man Welt heißt: in das abgeschmackte, momentane Bruchstück, das recht artig wäre, wenn sie es nicht wollten für ein Ganzes gelten lassen.
Zu der Beilage sage ich nichts, weil sie sich selbst gewaltig ausspricht. Es ist Ihnen aber vielleicht in diesem Moment doch bedeutend genug.
Nur daß Sie körperlich nicht leiden mögen, wünsche ich, und wenns möglich ist daß Sie sich in der Bewegung des Strudels behaglich finden. Ich erwarte kein Schreiben von Ihnen, nur ein freundliches Willkommen, wenn wir uns wiedersehen, da ich manche Sonderlichkeiten werde zu erzählen haben.
G.
H 907 | S 914 | B 919
Weimar, den 23. Juni 1803
Hier das erste Concept. Lassen Sie uns das Eisen, da es heiß ist, schmieden! Wenig wird zu brauchen seyn. Zu mancherlei Betrachtungen giebt dieser erste Versuch Anlaß.
Mündlich mehr. Mögen Sie wohl heute kommen und wann?
G.
H 906 | S 913 | B 918