963. An Schiller

[Weimar, den 24. Januar 1804]

Noch eine Abendanfrage wie Sie sich befinden. Mit mir geht es ganz leidlich. Heute Abend war Johannes von Müller bei mir, und hatte große Freude an meinen Münzschubladen. Da er so unerwartet unter lauter alte Bekannte kam, so sah man recht wie er die Geschichte in seiner Gewalt hat; denn selbst die meisten untergeordneten Figuren waren ihm gegenwärtig, und er wußte von ihren Umständen und Zusammenhängen. Ich wünsche zu hören daß die Schweizer Helden sich gegen ihre Übel wacker gehalten haben.

G.

H 945 | S 952 | B 956

962. An Schiller

[Weimar, den 23. Januar 1804]

Hier die neuen Zeitungen, mit Bitte sie sodann an Meyer zu schicken, besonders empfehle ich Nro. 13. Ist denn doch nichts Neues unter der Sonne! Und hat nicht unsere vortreffliche Reisende mir heute früh, mit der größten Naivetät, versichert, daß sie meine Worte, wie sie solcher habhaft werden könne, sämmtlich werde drucken lassen? Diese Nachricht von Rousseau’s Briefen macht wirklich der gegenwärtigen Dame bei mir ein böses Spiel. Man sieht sich selbst und das frazenhafte französische Weiberbestreben im (diamantnen – adamantinen) Spiegel. Die besten Wünsche für Ihr Wohl.

G.

H 935 | S 951 | B 955

961. An Schiller

Weimar, am 23. Januar 1804

Eben war ich im Begriff anzufragen, wie es Ihnen gehe, denn bei diesem langen Auseinandersein wird es einem doch zuletzt wunderlich.

Heute habe ich zum erstenmal Madame von Stael bei mir gesehen; es bleibt immer dieselbe Empfindung; sie gerirt sich mit aller Artigkeit noch immer grob genug als Reisende zu den Hyperboreern, deren capitale alte Fichten und Eichen, deren Eisen und Bernstein sich noch so ganz wohl in Nutz und Putz verwenden ließen; indessen nöthigt sie einen doch die alten Teppiche als Gastgeschenk und die verrosteten Waffen zur Vertheidigung hervorzuholen.

Gestern habe ich Müller gesehen, wahrscheinlich wird er heute wieder kommen. Ich werde Ihren Gruß ausrichten. Er ist über das Weimarische Lazareth freilich betroffen, denn es muß recht übel aussehen wenn der Herzog selbst auf dem Zimmer bleibt. Bei allen diesen Unbilden habe ich den Trost, daß Ihre Arbeiten nicht ganz unterbrochen worden, denn das ist das Einzige von dem was ich übersehe, das unersetzlich wäre; das wenige, was ich zu thun habe, kann noch allenfalls unterbleiben. Halten Sie sich ja stille, bis Sie wieder zur völligen Thätigkeit gelangen. Wegen Müllers hören Sie morgen bei Zeiten etwas. Das schönste Lebewohl.

Auch die neue Literaturzeitung schicke vielleicht noch heute Abend.

G.

H 944 | S 950 | B 954

960. An Schiller

Weimar, am 18. Januar 1804

Hier kommt auch das Rütli zurück, alles Lobes und Preises werth. Der Gedanke, gleich eine Landesgemeinde zu constituiren, ist fürtrefflich, sowohl der Würde wegen, als der Breite die es gewährt. Ich verlange sehr das Übrige zu sehen. Alles Gute zur Vollendung.

G.

H 943 | S 949 | B 953

959. An Goethe

[Weimar, den 17. Januar 1804]

Kleider und lebhafter Vortrag werden bei dem Mithridat noch das Beste thun müssen. Wenn man bei diesen abgelebten Werken nicht überhaupt etwas lernte, und sich wenigstens in seinem alten Glauben immer mehr dadurch bestärkt fände, so sollte man keine Zeit und Mühe daran verschwenden. Bei einer poetischen Leseprobe fühlt sich das Leere, Halbe, Hölzerne dieser Manier erst recht heraus.

Sie sagten mir nichts über das Rütli. Wenn etwa dabei was zu erinnern wäre, so senden Sie mir’s morgen Vormittag; denn auf den Freitag muß ich’s fortschicken.

Mögen Sie sich bald wieder erholen!

Sch.

H 942 | S 948 | B 952

958. An Schiller

[Weimar, den 17. Januar 1804]

Daß Sie auch körperlich leiden ist nicht gut; man sollte, wenn man sich nicht sonderlich befindet, die Übel seiner Freunde mittragen können, welches ich unter gegenwärtigen Umständen recht gern übernehmen wollte.

Ihr Beifall, den Sie den ersten Zeitungsblättern geben, hat mich sehr beruhigt. Fast alles ist bei einem solchen Institut zufällig, und doch muß es wie ein Überlegtes werden und aussehen. Die Sache ist indessen auf gutem Wege, und wenn Sie einigen Antheil daran nehmen wollten, so würden Sie solche sehr fördern; es brauchten vorerst keine vorsätzlichen, langen Recensionen ex professo zu seyn, sondern von Zeit zu Zeit eine geistreiche Mittheilung bei Gelegenheit eines Buchs, das man ohnehin liest. Auch verdiene ich wohl daß man mich ein wenig verstärkt: denn ich habe die vergangnen vier Monate mehr als billig an diesem Alp geschleppt und geschoben.

Auch freue ich mich sehr daß Sie mit der kleinen Einleitung in die Philosophie der Nationen zufrieden sind. Wenn es glückt in andern Fächern auch dergleichen aufzustellen, ehe man das Einzelne bringt, so wird es auf alle Weise unterhaltend und belehrend seyn. Der Verfasser möchte schwer zu errathen seyn, denn noch ist er ein namenloses Wesen. Überhaupt aber habe ich bei dieser Gelegenheit erfahren, daß eine gewisse höhere Bildung in Deutschland sehr verbreitet ist, deren Inhaber sich alle nach und nach an uns heranziehen werden. Ich danke daß Sie die Leseprobe des Mithridat übernehmen wollen. Schreiben Sie mir doch wie sie abgelaufen ist, und was Sie überhaupt auguriren.

Den schönsten guten Abend.

G.

H 937 | S 947 | B 951

957. An Goethe

[Weimar, den 17. Januar 1804]

Ein Übel das ich nicht vernachlässigen darf und das mich besonders am Gehen hindert, hält mich seit gestern zu Hause auf den Sopha gefesselt und ist Schuld, daß ich das heutige Diner bei Madame von Stael, so wie auch das Concert auf den Abend versäumen muß. Leider gewinne ich dadurch nichts für mein Geschäft, denn der Kopf ist sehr eingenommen. Da meine Frau auch eines bösen Hustens wegen nicht ausgeht, so haben Sie wohl die Güte, falls es nöthig, uns bei Serenissimo, des Concerts wegen, zu entschuldigen.

Die Zeitungsblätter habe ich mit großem Antheil gelesen. Der Anfang den die theologische Exposition macht, ist vortrefflich und hätte, wenn man auch die freieste Auswahl gehabt hätte, nicht wohl bedeutender ausfallen können. Die Recension des Sartorischen Werkes ist sehr gehaltvoll und tüchtig; den Eingang muß man ihm als rednerisch und ad extra gerechnet passiren lassen, da er ihn in der Folge wieder so naiv aufhebt. Vom Cellini hätte mehr gesagt werden sollen und müssen, indessen ist diese frühzeitigere Anzeige davon, wenn sie auch nicht ganz befriedigt, der Verbreitung des Werks nützlich.

Der Bericht über die Philosophie in dem Intelligenzblatt hat mir große Freude gemacht und ist ein überaus glücklicher Gedanke; ich bin sehr auf die Fortsetzung begierig. Mehr solche Ausführungen, von derselben Hand, über philosophische Dinge würden eine glückliche Veränderung in der öffentlichen Meinung über Philosophie vorbereiten. Zur Schande meiner Sagacität muß ich gestehen, daß ich über den Verfasser dieses Aufsatzes noch nicht im Reinen bin.

Johannes Müller ist uns sehr nahe: ein Brief den ich heute von Körnern erhalte, meldet mir daß er dort war, und nächstens bei uns eintreffen wird. Körner hält die Anstellung Böttigers in Dresden noch nicht ganz für entschieden, weil man in D. sein Engagement mit Berlin wisse und durchaus nicht damit collidiren wolle.

Madame von Stael schreibt heute in einem Billet an meine Frau von einer baldigen Abreise, aber auch von einer sehr wahrscheinlichen Zurückkunft über Weimar.

Lassen Sie mich hören wie es Ihnen geht. Ich werde diesen Nachmittag eine Leseprobe des Mithridat bei mir haben, da ich doch nichts Wichtigeres versäume.

Sch.

H 936 | S 946 | B 950

956. An Schiller

[Weimar, den 14. Januar 1804]

Auf Ihre freundlichen Abendworte erwiedere ich folgendes: Ich wünsche recht herzlich Sie bald zu sehen, ob ich mich gleich sehr in Acht nehmen muß. Eine Unterredung mit Hrn. Voigt ist mir gestern gar nicht wohl bekommen. Ich fühle jetzt erst daß ich schwach bin.

An Ihrer Exposition habe ich mich recht gelabt und indessen davon gezehrt. Es ist recht gut daß Sie den Widerspruch gegen die zudringliche Nachbarin durch eine solche gleichzeitige That äußern, sonst müßte der Zustand auch ganz unerträglich seyn.

Da ich jetzt krank und grämlich bin, so kommt es mir fast unmöglich vor, jemals wieder solche Discurse zu führen. Man begeht doch eigentlich eine Sünde gegen den heiligen Geist, wenn man ihr auch nur im mindesten nach dem Maule redt. Wäre sie bei Jean Paul in die Schule gegangen, so hielte sie sich nicht so lange in Weimar auf; sie mag’s auf ihre Gefahr nur noch drei Wochen probiren.

Ich bin die Zeit über immer beschäftigt gewesen, und da ich nichts leisten konnte, habe ich manches gethan und gelernt; nur muß ich mit den Gegenständen wechseln und Pausen dazwischen machen.

Die angekommenen Hackert’schen Landschaften haben mir auch einen heiteren Morgen gemacht; es sind ganz außerordentliche Werke, von denen man, wenn sich auch manches dabei erinnern läßt, doch sagen muß, daß sie kein anderer Lebender machen kann, und wovon gewisse Theile niemals besser gemacht worden sind.

Leben Sie recht wohl und wenn Sie morgen nach Hofe fahren, so kommen Sie einen Augenblick vorher zu mir; mein Wagen kann Sie abholen und so lange warten.

Das Rütli wird mir große Freude machen. Ich verlange sehr das was einzeln so gut eingeführt ist, nun im Ganzen beisammen zu sehen.

G.

H 941 | S 945 | B 949

955. An Goethe

[Weimar, den 14. Januar 1804]

Daß Sie mit meinem Eingang in den Tell zufrieden sind, gereicht mir zu einem großen Trost, dessen ich unter der gegenwärtigen Stickluft besonders bedürftig war. Auf den Montag will ich Ihnen das Rütli senden, welches jetzt in’s Reine geschrieben wird: es läßt sich als ein Ganzes für sich lesen.

Ich bin ungeduldig verlangend, Sie wieder zu sehen. Wann öffnen Sie Ihre Pforte wieder?

Heute regt sich nach vier Wochen wieder eine Lust bei mir nach der Komödie. In dieser ganzen Zeit hab’ ich keinen Trieb gespürt, besonders da meistens um meine eigene Haut gespielt wurde.

Madame de Stael will noch drei Wochen hier bleiben. Trotz aller Ungeduld der Franzosen wird sie, fürchte ich doch an ihrem eigenen Leib die Erfahrung machen, daß wir Deutschen in Weimar auch ein veränderliches Volk sind, und daß man wissen muß zu rechter Zeit zu gehen.

Lassen Sie mich vor Schlafengehen noch ein Wort von sich hören.

Sch.

H 940 | S 944 | B 948

954. An Schiller

Weimar, am 13. Januar 1804

Das ist freilich kein erster Act, sondern ein ganzes Stück und zwar ein fürtreffliches, wozu ich von Herzen Glück wünsche und bald mehr zu sehen hoffe. Meinem ersten Anblick nach ist alles so recht, und darauf kommt es denn wohl bei Arbeiten, die auf gewisse Effecte berechnet sind, hauptsächlich an. Zwei Stellen nur habe ich eingebogen. Bei der einen wünschte ich, wo mein Strich lauft, noch einen Vers, weil die Wendung gar zu schnell ist.

Bei der andern bemerke ich so viel: der Schweizer fühlt nicht das Heimweh, weil er an einem andern Orte den Kuhreigen hört, denn er wird, so viel ich weiß, sonst nirgends geblasen; sondern eben weil er ihn nicht hört, weil seinem Ohr ein Jugendbedürfniß mangelt. Doch will ich dieß nicht für ganz gewiß geben. Leben Sie recht wohl und fahren Sie fort uns durch Ihre schöne Thätigkeit wieder ein neues Lebensinteresse zu verschaffen; halten Sie sich auch wacker im Hades der Societät und flechten Sie Schilf und Rohr nur fein zum derben Stricke, damit es doch auch etwas zu kauen gebe.

Gruß und Heil!

G.

H 939 | S 943 | B 947

953. An Goethe

[Weimar, den 12. oder 13. Januar 1804]

Indem ich mich erkundige, wie es mit Ihrer Gesundheit steht, frage ich zugleich an, ob Sie sich gestimmt und aufgelegt fühlen, von etwas Poetischem Notiz zu nehmen. Denn in diesem Fall wollte ich Ihnen den großen ersten Act des Tell zuschicken, welchen ich an Iffland abzusenden gedrungen werde, und nicht gern ohne Ihr Urtheil aus den Händen geben möchte. Unter allen den widerstreitenden Zuständen, die sich in diesem Monat häufen, geht doch die Arbeit leidlich vorwärts, und ich habe Hoffnung, mit Ende des kommenden Monats ganz fertig zu seyn.

Die Recension, die Sie mir geschickt, ist mir ganz ungenießbar und fast unverständlich; ich fürchte dieser böse Casus wird Ihnen noch oft vorkommen. Von dem recensirten Buch habe ich mir keinen Begriff daraus schöpfen können.

Die Stael habe ich gestern bei mir gesehen, und sehe sie heut wieder bei der Herzogin Mutter. – Es ist das Alte mit ihr; man würde sich an das Faß der Danaiden erinnern, wenn einem nicht der Oknos mit seinem Esel dabei einfiele.

Sch.

H 938 | S 942 | B 946

952. An Goethe

[Weimar, den 10. Januar 1804]

Wie ich gestern Nachts nach Hause kam, fiel mir plötzlich ein, daß ich Hrn. Genast neue Räthsel zur morgenden Turandot versprochen, und um doch einigermaßen Wort zu halten, setzte ich mich noch vor Schlafengehen hin, ein paar Ideen dazu in Verse zu bringen; so habe ich also den werthen Gast, den Sie mir in die Tasche gesteckt, erst diesen Augenblick wo ich aufgestanden, zur Hand genommen und werde diesen Abend davon Bericht abstatten können.

Die neuen Figuren im Theaterpersonal will ich nützlichst in der Jungfrau unterzubringen suchen.

Sch.

Datierung handschriftlich von Goethe; vermutlich falsch, lt. B: 8. März 1803

H 934 | S 941 | B 905

951. An Goethe

[Weimar, zwischen dem 5. und 7. Januar 1804]

Zu einem Geburtstagsstück scheint mir der Mithridat im Nothfall zu brauchen; er giebt, da man nichts Besseres hat, doch eine ernste und vornehme Darstellung. Ich habe deßwegen das noch bei mir stagnirende Manuscript gestern mobil gemacht, und den ersten Act mit dem was ich dabei angestrichen an Bode gegeben, der jetzt eben daran ist die bemerkten Stellen zu ändern. Wenn er damit zurecht kommt, welches sich binnen wenigen Tagen ausweisen muß, so könnte das Stück am Ende kommender Woche abgeschrieben und ausgetheilt seyn, und es blieben dann immer noch vierzehn Tage zum Einstudiren.

Geist sagte gestern, daß das Concert und Souper auf dem Stadthause wieder abgesagt worden. Da ich nichts Officielles darüber vernommen, so bitte ich nur um ein Wort mündlich, wie es damit steht. Meyern sende ich das Augusteum. Von Frau von Stael habe ich nichts gehört; ich hoffe sie ist mit Herrn Benjamin Constant beschäftigt. Was gäbe ich um Ruhe, Freiheit und Gesundheit in den nächsten vier Wochen; dann wollte ich weit kommen.

Sch.

H 933 | S 940 | B 945

950. An Schiller

Weimar, am 4. Januar 1804

Beiliegendes Blättchen wollte besonders abschicken als mir die Balladen wieder in die Hände fielen, welche ich schon vor einiger Zeit erhielt; sie haben etwas Gutes ohne gut zu seyn. Ich wünsche Ihr Urtheil zu hören.

G.

H 932 | S 939 | B 944

949. An Goethe

[Weimar, den 31. Dezember 1803]

Ich wollte schon bei Ihnen anfragen, wie Sie es diesen Abend halten wollten, als ich Ihre Sendung erhielt, die mir sehr erfreulich war. Das Programm ist voll Gehalt und Leben, und füllt einem den ganzen Geist mit einer Welt von Ideen an. Das Polygnotische Wesen nimmt sich prächtig aus und scheint einen neuen Tag zu verkündigen. Mündlich mehr; ich werde mich gegen acht Uhr einstellen.

Haben Sie die Güte mir eine Nota über die an Wolzogen überlassenen Zeichnungen zu schicken, so will ich sie gleich bezahlen.

Sch.

H 931 | S 938 | B 943

948. An Schiller

Weimar, am 31. December 1803

Hier, mein Werthester, die Aushängebogen des Programms auf Actenweise geheftet, bis ich Ihnen ein besseres Exemplar zuschicken kann. Möchten doch unsere Bemühungen Ihnen einigen Beifall ablocken.

Ich gehe heute Abend nicht in die Komödie; wie halten Sie es? Mögen Sie mich vielleicht gegen acht Uhr besuchen, und alsdann Wolf bei mir erwarten, welcher wohl in das Schauspiel gehen wird?

G.

H 930 | S 937 | B 942

947. An Goethe

Weimar, den 21. December 1803

Der rasche und wirklich anstrengende Wechsel von productiver Einsamkeit und einer ganz heterogenen Societäts-Zerstreuung hat mich in dieser letzten Woche so ermüdet, daß ich durchaus nicht zum Schreiben kommen konnte, und es meiner Frau überließ, Ihnen eine Anschauung von unsern Zuständen zu geben.

Frau von Stael wird Ihnen völlig so erscheinen, wie Sie sie sich a priori schon construirt haben werden: es ist alles aus Einem Stück und kein fremder, falscher und pathologischer Zug an ihr. Dieß macht daß man sich trotz des immensen Abstands der Naturen und Denkweisen vollkommen wohl bei ihr befindet, daß man alles von ihr hören und ihr alles sagen mag. Die französische Geistesbildung stellt sie rein und in einem höchst interessanten Lichte dar. In allem was wir Philosophie nennen, folglich in allen letzten und höchsten Instanzen, ist man mit ihr im Streit und bleibt es trotz alles Redens. Aber ihr Naturell und Gefühl ist besser als ihre Metaphysik, und ihr schöner Verstand erhebt sich zu einem genialischen Vermögen. Sie will alles erklären, einsehen, ausmessen, sie statuirt nichts Dunkles, Unzugängliches, und wohin sie nicht mit ihrer Fackel leuchten kann, da ist nichts für sie vorhanden. Darum hat sie eine horrible Scheu vor der Idealphilosophie, welche nach ihrer Meinung zur Mystik und zum Aberglauben führt, und das ist die Stickluft wo sie umkommt. Für das was wir Poesie nennen, ist kein Sinn in ihr; sie kann sich von solchen Werken nur das Leidenschaftliche, Rednerische und Allgemeine zueignen, aber sie wird nichts Falsches schätzen, nur das Rechte nicht immer erkennen. Sie ersehen aus diesen paar Worten, daß die Klarheit, Entschiedenheit und geistreiche Lebhaftigkeit ihrer Natur nicht anders als wohlthätig wirken können. Das einzige Lästige ist die ganz ungewöhnliche Fertigkeit ihrer Zunge, man muß sich ganz in ein Gehörorgan verwandeln um ihr folgen zu können. Da sogar ich, bei meiner wenigen Fertigkeit im französisch reden, ganz leidlich mit ihr fortkomme, so werden Sie, bei Ihrer größeren Übung, eine sehr leichte Communication mit ihr haben.

Mein Vorschlag wäre, Sie kämen den Sonnabend herüber, machten erst die Bekanntschaft und gingen dann den Sonntag wieder zurück um Ihr Jenaisches Geschäft zu vollenden. Bleibt Madame de Stael länger als bis Neujahr, so finden Sie sie hier, und reist sie früher ab, so kann sie Sie ja in Jena vorher noch besuchen. Alles kommt jetzt darauf an, daß Sie eilen eine Anschauung von ihr zu bekommen, und sich einer gewissen Spannung zu entledigen. Können Sie früher kommen als Sonnabends, desto besser.

Leben sie recht wohl. Meine Arbeit hat in dieser Woche freilich nicht viel zugenommen, aber doch auch nicht ganz gestockt. Es ist recht schade, daß uns diese interessante Erscheinung zu einer so ungeschickten Zeit kommt, wo dringendere Geschäfte, die böse Jahrszeit und die traurigen Ereignisse über die man sich nicht ganz erheben kann, zusammen auf uns drücken.

Sch.

H 929 | S 936 | B 941

946. An Goethe

Weimar, den 14. December 1803

Gegen Ihre Gründe, warum Sie jetzt nicht hieher kommen wollen, läßt sich gar nichts einwenden, ich habe sie dem Herzog auch möglichst geltend zu machen gesucht. Der Frau von Stael wird und muß es auch viel angenehmer seyn, Sie ohne den Train von Zerstreuungen zu sehen, und Ihnen selbst kann bei dieser Einrichtung diese Bekanntschaft wirklich ein Vergnügen seyn, da sie sonst nur eine unerträgliche Last gewesen wäre.

Ich nehme wahren Antheil an dem Fortgang Ihrer jetzigen Geschäfte, die nun einmal eine Nothwendigkeit sind, wenn sie auch nach innen nichts erbauen und begründen. Meine Geschäfte gehen auch ihren Gang fort, und es fängt doch endlich an, etwas zu werden. Aber da man mich von Berlin aus drängt und treibt und mich also ewig an den Drachen erinnert, der das Werk so wie es warm aus der Feder kommt, fressen und verschlingen wird, so macht mir das auch keinen guten Muth. Das ganz Niederträchtige des Berlinischen Theaters habe ich mir erst neuerdings wieder aus Cordemanns Bericht versinnlicht.

Daß Böttiger nach Berlin kommt, ist nun gewiß, wir wollen ihm von Herzen glückliche Reise wünschen. Möge ihm nur ein glücklicher Nachfolger werden. Ich habe an Riemern gedacht; es wäre doch sehr zu wünschen, einen solchen Menschen festzuhalten.

Leben Sie recht wohl, bleiben Sie gesund und heiter, und fahren Sie säuberlich mit der Pilgerin, die zu Ihnen wallet. So wie ich etwas Näheres erfahre, gebe ich Ihnen Nachricht.

Sch.

Der Herzog läßt mir zur Antwort sagen, er würde Ihnen selbst schreiben und mit mir in der Komödie reden.

Halten Sie nur fest, wenn er sich Ihnen auch nicht gleich fügen sollte.

H 928 | S 935 | B 940

945. An Schiller

Jena, am 13. December 1803

Vorauszusehen war es daß man mich, wenn Madame de Stael nach Weimar käme, dahin berufen würde. Ich bin mit mir zu Rathe gegangen, um nicht vom Augenblick überrascht zu werden, und hatte zum voraus beschlossen hier zu bleiben. Ich habe, besonders in diesem bösen Monat, nur gerade so viel physische Kräfte um nothdürftig auszulangen, da ich zur Mitwirkung an einem so schweren und bedenklichen Geschäft verpflichtet bin. Von der geistigsten Übersicht bis zum mechanischen typographischen Wesen muß ich’s wenigstens vor mir haben und der Druck des Progamms, der wegen der Polygnotischen Tabellen recht viele Dornen hat, fordert meine öftere Revision. Wie viel Tage sind denn noch hin, daß alles fertig seyn und bei einer leidenschaftlichen Opposition mit Geschick erscheinen soll? Sie, werther Freund, sehen gewiß mit Grausen meine Lage an, in der mich Meyer trefflich soulagirt, die aber von niemand kann erkannt werden; denn alles was nur einigermaßen möglich ist, wird als etwas Gemeines angesehen. Deßhalb möcht ich Sie recht sehr bitten mich zu vertreten; denn niemanden fällt bei dieser Gelegenheit der Taucher wohl ein als mir, und niemand begreift mich als Sie. Leiten Sie daher alles zum Besten, in so fern es möglich ist. Will Madame de Stael mich besuchen, so soll sie wohl empfangen seyn. Weiß ich es vier und zwanzig Stunden voraus, so soll ein Theil des Loderischen Quartiers meublirt seyn, um sie aufzunehmen, sie soll einen bürgerlichen Tisch finden, wir wollen uns wirklich sehen und sprechen, und sie soll bleiben so lange sie will. Was ich hier zu thun habe ist in einzelnen Viertelstunden gethan, die übrige Zeit soll ihr gehören; aber in diesem Wetter zu fahren, zu kommen, mich anzuziehen, bei Hof und in Societät zu seyn, ist rein unmöglich, so entschieden als es jemals von Ihnen, in ähnlichen Fällen, ausgesprochen worden.

Dieß alles sey Ihrer freundschaftlichen Leitung anheim gegeben, denn ich wünsche nichts mehr als diese merkwürdige, so sehr verehrte Frau wirklich zu sehen und zu kennen, und ich wünsche nichts so sehr, als daß sie diese paar Stunden Weges an mich wenden mag. Schlechtere Bewirthung, als sie hier finden wird, ist sie unterweges schon gewohnt. Leiten und behandeln Sie diese Zustände mit Ihrer zarten freundschaftlichen Hand und schicken Sie mir gleich einen Expressen, sobald sich etwas Bedeutendes ereignet.

Glück zu allem was Ihre Einsamkeit hervorbringt, nach eignem Wünschen und Wollen! Ich rudre in fremdem Element herum, ja, ich möchte sagen, daß ich nur drin patsche, mit Verlust nach außen und ohne die mindeste Befriedigung von innen oder nach innen. Da wir denn aber, wie ich nun immer deutlicher von Polygnot und Homer lerne, die Hölle eigentlich hier oben vorzustellen haben, so mag denn das auch für ein Leben gelten. Tausend Lebewohl im himmlischen Sinne!

G.

H 927 | S 934 | B 939

944. An Schiller

Jena, am 2. December 1803

Herr Regierungsrath Voigt hat mich diesen Nachmittag besucht und mich abgehalten Ihnen zu schreiben; dagegen habe ich ihn gebeten Sie bald zu sehen und Sie vom glücklichen Fortgang unserer literarischen Unternehmung zu unterrichten. Hätten Sie nicht für jetzt das bessere Theil erwählt, so würde ich Sie bitten uns bald ein Zeichen Ihrer Beistimmung zu geben.

Für mich ist dieses Wesen eine neue sonderbare Schule, die denn auch gut seyn mag, weil man mit den Jahren doch immer weniger productiv wird und also sich wohl um die Zustände der andern etwas genauer erkundigen kann.

Mich beschäftigt jetzt das Programm das in zwei Theile zerfällt, in die Beurtheilung des Ausgestellten und in die Belebung der Polygnotischen Reste. Jenen ersten Theil hat Meyer zwar sehr schön vorgearbeitet, indem er alles zu Beherzigende trefflich bedacht und ausgedrückt hat; doch muß ich noch einige Stellen ganz umschreiben, und das ist eine schwere Aufgabe.

Für die Polygnotischen Reste ist auch gethan was ich konnte; doch alles zuletzt zusammen zu schreiben und zu redigiren, nimmt noch einige Morgen weg; indessen führt diese Arbeit in sehr schöne Regionen und muß künftig unserm Institut eine ganz neue Wendung geben. Nun kommt auch noch der Druck hinzu, so daß ich das ganze Geschäft unter vierzehn Tagen nicht los werde. Das Programm wird dießmal ungefähr vier Bogen.

Voß habe ich erst einmal gesehen, da ich wegen der Nässe mich kaum bis an die Bachgasse getraue. Er hat nun Burkhardt Waldis an die Reihe genommen, um dessen Worte und Redensarten in’s Wörterbuch zu notiren. Ich muß mich erst wieder zu ihm und seinem Kreise gewöhnen und meine Ungeduld an seiner Sanftmuth bezähmen lernen. Dürfte ich an etwas Poetisches denken, so läse ich mit ihm wie sonst; denn da ist man gleich in der Mitte des Interesses.

Knebel hat sich bei Hellfeld, in Ihrer ehemaligen Nachbarschaft, am Neuthor, eingemiethet, weit genug von Vossen, um von dessen Rigorismus nicht incommodirt zu werden. Dafür wird er auch unserm Prosodiker das Wasser nicht trübe machen; denn dieser wohnt am Einfluß, er aber am Ausfluß des Baches.

Ihren Vorschlag, Fernow und Hegel zusammen zu bringen, habe ich in’s Werk zu setzen schon angefangen. Übrigens giebt es morgen Abend bei mir einen Thee, bei dem sich die heterogensten Elemente zusammenfinden werden.

Der arme Vermehren ist gestorben. Wahrscheinlich lebte er noch wenn er fortfuhr mittelmäßige Verse zu machen. Die Postexpedition ist ihm tödtlich geworden; und somit für heute ein freundliches Lebewohl.

G.

H 926 | S 933 | B 938