362. An Schiller

Frankfurt, den 23. August 1797

Zu dem was ich gestern über die Ballade gesagt muß ich noch heute etwas zu mehrerer Deutlichkeit hinzufügen. Ich wünschte, da Ihnen die Mitte so sehr gelungen, daß Sie auch noch an die Exposition einige Verse wendeten, da das Gedicht ohnehin nicht lang ist. Meo voto würden die Kraniche schon von dem wandernden Ibycus erblickt; sich, als Reisenden, vergliche er mit den reisenden Vögeln, sich, als Gast, mit den Gästen, zöge daraus eine gute Vorbedeutung, und riefe alsdann, unter den Händen der Mörder, die schon bekannten Kraniche, seine Reisegefährten, als Zeugen an. Ja, wenn man es vortheilhaft fände, so könnte er diese Züge schon bei der Schiffahrt gesehen haben. Sie sehen, was ich gestern schon sagte, daß es mir darum zu thun ist aus diesen Kranichen ein langes und breites Phänomen zu machen, welches sich wieder mit dem langen verstrickenden Faden der Eumeniden, nach meiner Vorstellung, gut verbinden würde. Was den Schluß betrifft habe ich gestern schon meine Meinung gesagt. Übrigens hatte ich in meiner Anlage nichts weiter was Sie in Ihrem Gedicht brauchen können.

Gestern ist auch Hölderlin bei mir gewesen; er sieht etwas gedrückt und kränklich aus, aber er ist wirklich liebenswürdig und mit Bescheidenheit, ja mit Ängstlichkeit offen. Er ging auf verschiedene Materien auf eine Weise ein die Ihre Schule verrieth, manche Hauptideen hatte er sich recht gut zu eigen gemacht, so daß er manches auch wieder leicht aufnehmen konnte. Ich habe ihm besonders gerathen kleine Gedichte zu machen und sich zu jedem einen menschlich interessanten Gegenstand zu wählen. Er schien noch einige Neigung zu den mittlern Zeiten zu haben in der ich ihn nicht bestärken konnte. Hauptmann Steigentesch werde ich wohl nicht sehen; er geht hier ab und zu, meine Anfrage hat ihn einigemal verfehlt und ein Billet, das ich das letztemal für ihn zurückließ, findet er vielleicht erst nach meiner Abreise. Grüßen sie Ihre liebe Frau und unsere dichterischen Freundinnen. Ich habe immer noch gehofft Ihnen noch etwas zum Musenalmanach zu schicken; vielleicht ist die schwäbische Luft ergiebiger. Eigentlich gehe ich von hieraus erst in die Fremde, und erwarte um desto sehnlicher einen Brief von Ihnen bei Cotta.

G.

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