873. An Goethe
Weimar, den 12. Mai 1802
Die Vorstellung der Iphigenie auf den Sonnabend wird keine Schwierigkeit haben, obgleich uns der Titus gestern und heut das Theater wegnahm. Morgen und übermorgen aber werden die Theaterproben mit Ernst vorgenommen werden, und ich hoffe, daß Sie über Ihr Werk nicht erschrecken sollen. Wohl glaube ich, daß die sinnliche Erscheinung dieses Stücks manche vergangene Zustände in Ihnen erwecken wird, sowohl in Formen und Farben Ihres eignen Gemüths, als auch der Welt, mit der Sie sich damals zusammen fühlten, und in letzterer Rücksicht wird es mehreren hiesigen Freunden und Freundinnen merkwürdig seyn.
Mit dem Alarkos wollen wir es also auf jede Gefahr wagen und uns selbst wenigstens dadurch belehren. Ich will es unsern Schauspielern möglichst an’s Herz legen, das Beste daran zu wenden. Der C. K. habe ich das Stück lesen lassen, aus Neugierde wie ein solches Product auf einen solchen Sinn wirken würde. Aber es sind närrische Dinge dabei zum Vorschein gekommen, und ich werde mich hüten, eine solche Probe zu wiederholen. Es ist sonderbar, was für Säfte gewisse Thiere aus gewissen Pflanzen ziehen, und die K. gehört auch zu den Lesern, die glauben ein poetisches Werk, das man ihnen vorsetzt, verspeisen zu müssen anstatt es anzuschauen. Sie meint für den Verfasser der Lucinde, an der sie ein großes Wohlgefallen zu haben schien, sey dieser Alarkos ein sehr religiöses Product. Die passionirteste Natur in dem Stück, die Infantin, fand sie abscheulich und unmoralisch, gerade gegen meine Erwartung; aber es scheint daß die gleichnamigten Pole sich überall abstoßen müssen.
Cotta kam vorigen Sonnabend hier durch; er hofft Sie, bei seiner Zurückkunft welche nächsten Sonnabend über vierzehn Tage seyn wird, hier zu finden. Mir trug er auf, Sie zu bitten, daß Sie ihm erlauben möchten Mahomed und Tancred in Schwaben zu drucken. Gädike hat ihna uf eine undankbare Art sitzen lassen. Den Druck wolle er ganz nach Ihrer Vorschrift einrichten und die strengste Correctur beobachten lassen.
Er ließ mir beigeschlossenen Aufsatz von dem Architekt Weinbrenner für Sie zurück. Der Verfasser wünschte Ihre Mitwirkung bei dem Vorschlage den er darin thut.
Die ersten Zeiten meiner hiesigen Ortveränderung sind mir durch manches verbittert worden, besonders aber durch die Nachricht von dem schweren Krankenlager und Tod meiner Mutter in Schwaben. Aus einem Brief den ich vor einigen Tagen erhielt, erfuhr ich, daß an demselben Tag wo ich mein neues Haus bezog, die Mutter starb. Man kann sich nicht erwehren, von einer solchen Verflechtung der Schicksale schmerzlich angegriffen zu werden.
Leben Sie recht wohl und freuen sich Ihrer wohlgelungenen Geschäfte. Das Geld das Sie so gütig waren mir vorzuschießen, liegt parat und ich erwarte nun Ihre Befehle darüber. Wenn es Sie nicht belästigt, so wollte ich Sie bitten, sich von Niethammer eine Note darüber geben zu lassen, was ich ihm für meine und der Herzogin Bücher, die in der Eckart’schen Auction erstanden wurden, zu bezahlen habe, so wollte ich dann beide Schuldposten auf einmal tilgen, und erwarte nun Ihre Anweisung darüber.
Mit dem Athenor sind Sie mir nur einen Tag zuvorgekommen, denn auch ich habe dieses schreckliche Product erhalten und hatte es schon für Sie beiseit gelegt. Ich lege hier ein anderes bei, das nicht viel erfreulicher ist, besonders die Vorrede.
Leben sie recht wohl.
Elise Bürger werden sie nun wohl selbst gehört haben?
Sch.