27. An Schiller

Weimar, 2. Dezember 1794

Mir ist sehr erfreulich, daß Sie mit meinem Prologus im Ganzen und im Hauptpuncte nicht unzufrieden sind; mehr als diesen kann ich aber für‘s erste Stück nicht liefern. Ich will ihn noch einmal durchgehen, dem Geheime Rath und Louisen Sordinen auflegen und Carln vielleicht noch ein Forte geben, so wird’s ja wohl in’s Gleiche kommen. Ihr historischer Aufsatz wird dem Stücke gewiß wohltun: es gewinnt an erwünschter Mannigfaltigkeit. In’s zweite Stück hoffe ich die Erzählung zu bringen; überhaupt gedenke ich aber wie die Erzählerin in der Tausend und Einen Nacht zu verfahren. Ich freue mich Ihre Anmerkungen sogleich zu nutzen und dadurch neues Leben in diese Composition zu bringen. Die gleiche Wohltath hoffe ich für den Roman. Lassen Sie mich nur nicht lange auf die Fortsetzung Ihrer Briefe warten.

Von Faust kann ich jetzt nichts mittheilen; ich wage nicht das Paket aufzuschnüren, das ihn gefangen hält. Ich könnte nicht abschreiben ohne auszuarbeiten, und dazu fühle ich mir keinen Muth. Kann mich künftig etwas dazu vermögen, so ist es gewiß Ihre Theilnahme.

Daß Herr v. Humboldt mit unsern homerischen Unterhaltungen zufrieden ist, beruhigt mich sehr, denn ich habe mich nicht ohne Sorge dazu entschlossen. Ein gemeinsamer Genuß hat so große Reize, und doch wird er so oft durch die Verschiedenheit der Theilnehmer gestört. Bis jetzt hat noch immer ein guter Genius über unsere Stunden gewacht. Es wäre recht schön, wenn wir auch einmal einige Bücher zusammen genössen.

Leben Sie recht wohl und lassen mich nicht ferne von Sich und den Ihrigen seyn.

Goethe.

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