400. An Goethe

Jena, den 15. Dezember 1797

Unsere Dichterin Mereau ist da und so kann ich für heut nur ein paar Worte schreiben.

Mit dem Aufsatze, der hier zurück erfolgt, und mit andern von diesem Schlage wird nicht viel zu machen seyn. Er ist gar zu trocken und zu dürftig, und trotz der unnützen Parade mit Citaten und historischer Belesenheit enthält er nicht das geringste bedeutende Neue, was die Begebenheit aufhellen oder auch nur unterhaltender machen könnte. Soll aber bloß etwas damit verdient werden, so wird diese Absicht wohl eher durch Einrückung in Journale wie der Merkur etc., als durch eine eigene Sammlung zu erreichen seyn.

Ich habe schon öfters gewünscht, daß unter den vielen schriftstellerischen Speculationen solcher Menschen, die keine andere als compilatorische Arbeit treiben können, auch einer darauf verfallen möchte, in alten Büchern nach poetischen Stoffen auszugehen, und dabei einen gewissen Tact hätte, das Punctum saliens an einer, an sich unscheinbaren Geschichte zu entdecken. Mir kommen solche Quellen gar nicht vor, und meine Armuth an solchen Stoffen macht mich wirklich unfruchtbarer im Produciren, als ich’s ohne das seyn würde. Mir däucht ein gewisser Hyginus, ein Grieche, sammelte einmal eine Anzahl tragischer Fabeln entweder aus oder für den Gebrauch der Poeten. Solch einen Freund könnte ich gut brauchen. Ein Reichthum an Stoffen für möglichen Gebrauch vermehrt wirklich den innern Reichthum, ja er übt eine wichtige Kraft, und es ist schon von großem Nutzen, einen Stoff auch nur in Gedanken zu beleben und sich daran zu versuchen.

Die Elisa von der Recke hat mir ein voluminoses Schauspiel von ihrer Erfindung und Ausführung zugeschickt, mit der Plenipotenz zu streichen und zu zerstören. Ich werde sehen, ob ich es für die Horen brauchen kann; der Inhalt ist, wie Sie leicht denken können, sehr moralisch, und so hoffe ich soll es auch durchschlüpfen. Ich muß auf jede Art für die Horen sorgen. Und daß so moralische Personen sich uns Ketzern und Freigeistern auf Gnade und Ungnade übergeben, besonders nach dem so lauten Xenienunfug, ist immer eine gewisse Satisfaction.

Humboldt hat wieder seit sechs Wochen nichts von sich hören lassen. Ich schließe daraus, daß er nun doch nach Paris gegangen ist.

Leben Sie wohl für heute. Meine Frau grüßt auf’s beste.

Sch.

H 395 | S 390 | B 390