1002. Schiller an Goethe

[Weimar, den 17. Januar 1805]

Die Mitschuldigen haben gestern ein allgemeines Vergnügen gemacht und werden es immer mehr, wenn die Schauspieler besser mit diesem Vers umgehen lernen. Becker hat sein Bestes gethan, stellenweis hat sich auch die Stille gut gehalten; Unzelmann wollte nicht ganz in seine Rolle passen; mit Wolf konnte man sehr zufrieden seyn.

Es ist zwar hie und da etwas Anstößiges gewesen, aber die gute Laune in die das Stück versetzt, hat die Decenz=Rücksichten nicht aufkommen lassen. Die Großfürstin hat sich sehr ergötzt, besonders hat die sublime Stelle mit dem Stuhl ihre Wirkung nicht verfehlt.

Bei dem Bürgergeneral ist mir wieder die Bemerkung gekommen, daß es wohl gethan seyn würde, die moralischen Stellen, besonders aus der Rolle des Edelmanns, wegzulassen, so weit es möglich ist. Denn da das Interesse des Zeitmoments aufgehört hat, so liegt es gleichsam außerhalb des Stück.

Das kleine Stück verdient, daß man es in der Gunst erhalte die ihm widerfährt und gebührt, und es wird sich recht sehr gut thun lassen ihm einen raschern Gang zu geben.

Ich bin gestern, wie ich Unzelmann wieder gesehen, bei mir selbst zweifelhaft geworden, ob ich ihm den Hippolyt anvertrauen kann, vorzüglich weil ihm doch noch die eigentliche Männlichkeit fehlt, und der Junge noch zu sehr in ihm steckt. Sollte Oels noch zu rechter Zeit hier seyn, so wäre dieser mir lieber, und zu rechter Zeit käm’ er noch immer, wenn er nur auf den Mittwoch gewiß hier wäre, da er gut lernt und die Rolle gar nicht groß ist.

Ich hoffe zu hören, daß Sie sich wieder besser befinden.

Sch.

H 982 | S 991 | B 995