88. An Schiller

Weimar, 18. August 1795

An dem Hymnus, der hierbei folgt, habe ich soviel gethan als die Kürze der Zeit und die Zerstreuung, in der ich mich befinde, erlauben wollen. Den Beschluß der Geschichte und den Übergang zum Mährchen übersende ich baldmöglichst, ich glaube aber nicht, daß es einen gedruckten Bogen ausfüllen wird. Zu dem Mährchen selbst habe ich guten Muth; es unterhält mich und wird also doch auch wohl einigermaßen für andere unterhaltend seyn.

Ihr Zeugniß, daß ich mit meinem siebenten Buche wenigstens glücklich vor der Klippe vorbeigeschifft bin, ist mir von großem Werthe, und Ihre weitern Bemerkungen über diese Materie haben mich sehr erfreut und ermuntert. Da die Freundin des sechsten Buchs aus der Erscheinung des Oheims sich nur so viel zueignet, als in ihren Kram taugt, und ich die christliche Religion in ihrem reinsten Sinne erst im achten Buche in einer folgenden Generation erscheinen lasse, auch ganz mit dem, was Sie darüber schreiben, einverstanden bin, so werden Sie wohl am Ende nichts wesentliches vermissen, besonders wenn wir die Materie noch einmal durchsprechen.

Freilich bin ich sehr leise aufgetreten, und habe vielleicht dadurch, daß ich jede Art von Dogmatisiren vermeiden und meine Absichten völlig verbergen wollte, den Effect auf’s große Publicum etwas geschwächt; es ist schwer in solchen Fällen den Mittelweg zu halten.

Leben Sie recht wohl; Meyer grüßt Sie vielmals. Sagen Sie der lieben Frau, daß sie meine symbolischen Nadeln gesund brauchen und verlieren möge. Nächstens mehr.

G.

H 90 | S 88 | B 88