395. An Schiller

Weimar, den 6. Dezember 1797

Wenn Sie überzeugt sind, daß ein Winteraufenthalt in Jena Ihrer Gesundheit und Ihren Arbeiten vortheilhafter sey, so macht es mir um so mehr Freude, da ich mich genöthigt sehen werde nach dem neuen Jahr hinüber zu gehen, um nur einigermaßen zur Sammlung und Fassung zu kommen, und wie sonderbar müßte mir Jena erscheinen wenn ich Sie drüben nicht anträfe? Ich freue mich nunmehr auf diesen Aufenthalt, da ich sonst, wenn ich Sie hüben hätte lassen müssen, nur zwiespältig mit mir selbst gewesen wäre.

Halten Sie sich ja zu Ihrem Wallenstein; ich werde wohl zunächst an meinen Faust gehen, theils um diesen Tragelaphen los zu werden, theils um mich zu einer höhern und reinern Stimmung, vielleicht zum Tell, vorzubereiten. Dabei soll gelegentlich an den nächsten Almanach gedacht werden, vielleicht fällt auch etwas für die Horen ab.

Lassen Sie uns ja auf dem eingeschlagenen Wege fortfahren! Es muß uns noch manches gelingen und Meyer’s Mitarbeit wird uns äußerst fördern. Auch können wir der Theilnahme des Publicums gewiß seyn: denn ob man gleich im Ganzen immer darauf schilt, so enthält es doch im Einzelnen sehr gebildete Menschen, welche die redlichen und ernsten Bemühungen eines Schriftstellers zu schätzen wissen. Indessen mag der alte laudator temporis acti, in diesen Hefen des achtzehnten Jahrhunderts sich betrüben (siehe das Novemberstück des deutschen Merkurs S. 194); so viel klaren Wein als wir brauchen wird uns die Muse schon einschenken. Die schönen Sachen von Meyer zu sehen, wäre wohl eine December-Spazierfahrt werth. Möchte Ihre Gesundheit sie Ihnen doch erlauben!

G.

H 390 | S 384 | B 385