529. An Schiller

Weimar, den 5. Oktober 1798

Der Prolog ist gerathen wie er angelegt war; ich habe eine sehr große Freude daran und danke Ihnen tausendmal. Ich habe ihn nur erst einigemal durchgelesen um mich von dem Ganzen recht zu penetriren, und noch kann ich nicht bestimmen was vielleicht wegzulassen wäre, und ob ich nicht wegen des Theatereffects noch hie und da einen kleinen Pinselstrich aufhöhen würde.

Morgen Abend mit den Botenfrauen sollen Sie meine Edition erhalten; können Sie den Druck noch so lange aufschieben, so wird es gut sein, damit wir einerlei Lesart haben; Montag soll er gleich nach Stuttgart.

Es thut mir nur leid daß ich ihn nicht selbst sprechen kann, doch wenn sich Vohs hält wie unsere andern beim Vorspiel, so können wir zufrieden seyn. Leißling, Weyrauch und Haide declamiren die gereimten Verse als wenn sie ihr Lebtag nichts anders gethan hätten, besonders hat Haide gegen den Schluß einige Perioden declamirt wie ich’s auf dem deutschen Theater noch gar nicht gehört habe.

Nach dieser guten Nachricht muß ich aber leider anzeigen, daß es mir unmöglich war auch nur eine Zeile zu unserm Zwecke beizutragen, deswegen schicke ich einen Band des Pater Abraham, der Sie gewiß gleich zu der Capuzinerpredigt begeistern wird. So wäre z. E. das Rabenaas als Schlußformel, in Genast’s Munde, vielleicht höchst erbaulich. S. die gezeichnete Seite p. 77. Es ist übrigens ein so reicher Schatz der die höchste Stimmung mit sich führt.

Das Anfangslied bring ich auch nicht zu Stande, habe aber etwas Schickliches dafür zu substituiren. Das kann alles bei den folgenden Repräsentationen nachgebracht werden, wie überhaupt das Stück fordert, daß immer etwas neues und Veränderliches darin vorkommt, damit bei folgenden Repräsentationen sich niemand orientiren könne. Leben Sie indessen recht wohl, Sie erfahren nun bald den Tag an dem ich Ihre Ankunft wünsche. Bis jetzt geht es noch sehr bunt zu; grüßen Sie Ihre liebe Frau.

G.

H 176 | S 175 | B 176