316. An Schiller

Weimar, am 17. Mai 1797

Es thut mir leid daß Sie vom nahen Bauwesen so viel dulden. Es ist ein böses Leiden und dabei ein reizender Zeitverderb, in seiner Nähe arbeitende Handwerker zu haben. Ich wünsche daß auch diese Ereignisse Sie nicht allzusehr zerstreuen mögen.

Ich suche so viel als möglich aufzuräumen, um mir ein paar ganz freie Wochen zu verdienen, und wo möglich die Stimmung zum Schluß meines Gedichts zu finden. Von der übrigen lieben deutschen Literatur habe ich rein Abschied genommen. Fast bei allen Urtheilen waltet nur der gute oder der böse Wille gegen die Person, und die Fratze des Parteigeists ist mir mehr zuwider als irgend eine andere Carricatur.

Seitdem die Hoffnung das gelobte, obgleich jetzt sehr mißhandelte, Land zu sehen bei mir wieder aufgelebt, bin ich mit aller Welt Freund und mehr als jemals überzeugt: daß man im Theoretischen und Praktischen, und besonders in unserm Falle im Wissenschaftlichen und Dichterischen, immer mehr mit sich selbst Eins zu werden und Eins zu bleiben suchen müsse. Übrigens mag alles gehen wie es kann.

Lassen Sie uns, so lange wir beisammen bleiben, auch unsere Zweiheit immer mehr in Einklang bringen, damit selbst eine längere Entfernung unserm Verhältniß nichts anhaben könne.

Den Schluß des Cellini will ich in Jena gleich zum Anfange vornehmen; vielleicht findet sich auch sonst noch etwas und vielleicht wird Moses durch die Unterhaltung wieder lebendig. Leben Sie recht wohl, grüßen Ihre liebe Frau und genießen der freien Luft, die Ihnen doch früh oder spät gute Stimmung gewähren wird.

G.

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