76. An Schiller

Weimar, 18. Juni 1795

Ihre Zufriedenheit mit dem fünften Buche des Romans war mir höchst erfreulich, und hat mich zur Arbeit, die mir noch bevorsteht, gestärkt. Es ist mir sehr angenehm, daß die wunderlichen und spaßhaften Geheimnisse ihre Wirkung thun, und daß mir, nach Ihrem Zeugnisse, die Ausführung der angelegten Situationen geglückt ist. Um so lieber habe ich Ihre Erinnerungen, wegen des theoretisch-praktischen Gewäsches, genutzt, und bei einigen Stellen die Scheere wirken lassen. Dergleichen Reste der früheren Behandlung wird man nie ganz los, ob ich gleich das erste Manuscript fast um ein Drittel verkürzt habe.

Über das was mit dem Briefe an den Herausgeber, oder bei Gelegenheit desselben anzufangen ist, werden wir bei einer Unterredung leicht einig werden. Ich werde etwa zu Ende der andern Woche bei Ihnen sein, und wo möglich die versprochene Erzählung mitbringen.

Auf den Sonnabend schicke ich Meyers Aufsatz über Johann Bellin; er ist sehr schön, nur leider zu kurz. Haben Sie die Güte uns die Einleitung, die Sie schon in Händen haben, wieder zurückzuschicken, weil noch einiges darin zu suppliren ist. Wenn er den Mantegna noch dazu fügen könnte, so wär’ es ein Gewinn für das siebente Stück.

Es ist mir angenehm, daß Ihnen der neue Tragelaph nicht ganz zuwider ist; es ist wirklich Schade für den Menschen, er scheint sehr isolirt zu leben und kann deßwegen bei manchen guten Parthien seiner Individualität nicht zu Reinigung seines Geschmacks kommen. Es scheint leider, daß er selbst die beste Gesellschaft ist mit der er umgeht. Sie erhalten noch zwei Bände dieses wunderlichen Werks.

Die vier Wochen in Carlsbad denke ich einer Revision meiner naturwissenschaftlichen Bemühungen zu widmen; ich will sehen, daß ich ein Schema dessen was ich schon gethan habe und wohin ich mich zunächst wenden muß, aufsetze, um nur erst ein Fachwerk für die vielen zerstreuten Erfahrungen und Betrachtungen bereit zu haben.

Was sagen Sie zu einer Schrift, aus der ich Ihnen beiliegende Stelle abschreiben lasse?

Leben Sie recht wohl mit den Ihrigen und grüßen Humboldts.

Goethe.

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