420. An Schiller

Weimar, den 20. Januar 1798

Für die Prüfung meiner Aufsätze nach den Kategorien danke ich zum schönsten; ich werde sie bei meiner Arbeit immer vor Augen haben. Ich finde selbst an der Stimmung womit ich diese Gegenstände bearbeite, daß ich bald zur edlen Freiheit des Denkens darüber gelangen werde. Ich schematisire unablässig, gehe meine Collectaneen, durch und suche, aus dem Wust von Unnöthigem und Falschem die Phänomene in ihrer sichersten Bestimmung und die reinsten Resultate heraus. Wie froh will ich seyn wenn der ganze Wust verbrannt ist und das Brauchbare davon auf wenig Blättern steht. Die Arbeit war unsäglich, die doch nun schon acht Jahre dauert, da ich kein Organ zur Behandlung der Sache mitbrachte, sondern mir es immer in und zu der Erfahrung bilden mußte. Da wir nun einmal so weit sind, so wollen wir uns die letzte Arbeit nicht verdrießen lassen; stehen Sie mir von der theoretischen Seite bei und so wird es gewiß geschwinder gehen.

Ich lege einen flüchtigen Entwurf zur Geschichte der Farbenlehre bei. Sie werden dabei auch schöne Bemerkungen über den Gang des menschlichen Geistes machen können; er dreht sich in einem gewissen Kreise herum, bis er ihn ausgelaufen hat. Die ganze Geschichte, wie Sie sehen werden, dreht sich um die gemeine, das Phänomen bloß aussprechende Empirie, und um den nach Ursachen haschenden Rationalism herum, wenig Versuche einer reinen Zusammenstellung der Phänomene finden sich. Also schreibt uns die Geschichte auch schon selbst vor was wir zu thun haben. Es wird sich bei der Ausführung etwas recht Interessantes machen lassen. Stehen Sie mir bei weiterm Fortschreiten bei.

Die öftern Rückfälle Ihrer Gesundheit betrüben mich sehr sowohl um des Leidens als des Verlustes willen. Die milde Witterung verspricht uns für die nächste Zeit noch nichts Gutes.

Cotta ist zu beneiden; er fühlt sich gewiß glücklich daß so ein herrliches Blatt durch ihn in die Welt geht, wobei der goldne Beifall doppelt willkommen ist. Ich habe es in Weimar sehr in Gang bringen helfen.

Die Gotter’sche Oper geben wir vorerst noch nicht.

Meinen Aufsatz über Laokoon will ich gelegentlich nochmals durchsehen und dann wollen wir überlegen was zu thun sey. Leben Sie recht wohl, grüßen Sie Ihre liebe Frau und haben Sie nochmals Dank für Ihren langen fördernden Brief.

G.

H 415 | S 411 | B 411